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BERLINER DIALOG 20, 1-2000 Trinitatis

KORRESPONDENTENBERICHTE

Brief aus London
von Ursula MacKenzie
Eine Anklage, die niemand hören will

Als ich im Sommer 1997 von der Enquete-Kommission "Sogenannte Sekten und Psychogruppen" eingeladen wurde, als Sprecherin für Großbritannien an einem internationalen Forum in Bonn teilzunehmen, fühlte ich mich zwar sehr geehrt, hatte aber sofort starke Bedenken.
Die anderen Sprecher - aus Kanada, Russland, Spanien, Griechenland, Österreich und Holland - waren Akademiker und deshalb sicherlich erfahrene Redner. Ich bezweifelte, in diesen Kreis zu passen, weil meine Aufgabe in der Sektenarbeit auf praktischer Ebene lag. Nachdem ich den mitgeschickten Fragebogen studiert hatte, schickte ich einen Absagebrief.
Ich wurde später von Bonn aus angerufen mit der dringenden Bitte, es mir noch zu überlegen. Es sollte doch gerade jemand dabei sein, der die praktische und karitative Seite der Arbeit beleuchten könnte. Mein Einspruch, daß der Einsendetermin für Manuskripte längst vorbei war, wurde als Absagegrund nicht gelten gelassen. "Sie brauchen kein Manuskript zu schicken. Wenn Sie frei sprechen würden, wäre das sogar sehr gut. Da hört jeder besser zu." Nach einigem Zögern sagte ich schließlich doch noch zu.
Der Tag in Bonn war dann sehr aufregend für mich: Die Anwesenheit von Videokameras wirkte hemmend. Wie schon befürchtet, überschritt ich die erlaubte Zeit und mußte den Schluß meines Berichtes stark verkürzen.
Allerdings brachte ich die Themen, auf die es mir ankam - die Veränderungen in der Sektenszene und die schwierige Situation in der Beratungsarbeit - genügend zum Ausdruck. In dem Zusammenhang berichtete ich von meiner Initiative FAIR, die weder finanzielle noch moralische Unterstützung von Kirchenleitungen und Staat erhält und trotz großen Einsatzes in Familienberatung und Warnungsmaßnahmen zur Aufklärung von Jugendlichen nicht als wohltätiger Verein gilt.
Es ließ sich nicht vermeiden, dabei auch Dr. Eileen Barker und ihre Organisation INFORM zu erwähnen. INFORM bekam ab 1987 die allen anderen vorenthaltenen Staatszuschüsse, obwohl die Tätigkeit dieser Organisation durchaus nicht dem entsprach, was die Regierung für ihr Geld erwartete, nämlich "die wahre Natur der Sekten bloßzustellen".
Ich berichtete eindeutig, daß INFORM - und vor allem Dr. Barker - weltweit als "cult apologist" (Cult-verteidigend) eingeschätzt werde und führte Beispiele an. Auf jeden Fall war meine Bewertung von INFORM durchaus negativ.
Später wurde mir der Endbericht der Enquete-Kommission zugeschickt.
Beim Durchblättern stieß ich auf etwas, was wohl eine Zusammenfassung meines Berichts sein sollte. Ich war höchst schockiert, weil dieser Absatz unter meinem Namen überhaupt nicht dem entsprach, was ich in Wirklichkeit gesagt hatte. Was man mir untergeschoben hatte, war eine Selbstdarstellung von INFORM - sehr positiv natürlich - mit Fakten, die mir teils gar nicht bekannt waren. Zum Überfluß wurden mir auch noch negative Bemerkungen über FAIR angehängt.
Zu sagen, daß ich darüber sehr wütend war, ist keine Übertreibung. Ich schrieb sofort an Frau Ortrun Schätzle, um mich zu beschweren und bekam als Antwort, daß der Autor dieses Abschnitts, der in dem Bericht unter meinem Namen stand, tatsächlich jemand anders sei, daß aber die Fußnote (!) mit seinem Namen bedauerlicherweise verlorengegangen wäre. In einem Wettbewerb für faule und unglaubwürdige Ausreden würde diese Antwort bestimmt einen Preis gewinnen!

Ich habe immer noch nicht herausgefunden, wer die mysteriöse Person war, die unter "Frau MacKenzie berichtet aus Großbritannien" ganz widersprüchliche Ansichten aufstellte.
Meine deutschen Freunde in der Sektenarbeit ärgerten sich auch und versuchten ihrerseits der Sache auf den Grund zu kommen, aber so viel ich weiß, ebenfalls ohne Erfolg.
Es sei denn, jemand kann mich eines Besseren belehren, bin ich nun der Ansicht, daß ich zu der Anhörung eingeladen wurde, weil man jemanden brauchte, über den INFORM in den Endbericht hineingebracht werden konnte.
Warum bloß! Warum wurde Eileen Barker nicht eingeladen, für sich selbst zu sprechen? Wäre das nicht "politically correct" gewesen? Alles, was sonst noch über Großbritannien im Endbericht steht, floß aus der Feder von Prof. James Beckford, einem INFORM-Anhänger. War er vielleicht der "Mystery Man"? Warum war "derjenige welcher" zu feige, seinen Namen anzugeben?
Wenn schon der ziemlich kleine Absatz über meinen Beitrag völlig falsch wiedergegeben wurde, war man in anderen und vielleicht wichtigeren Abschnitten auch "economical with the truth", wie man so etwas in England nennt?
Auf gut Deutsch würde man fragen: Was war denn sonst noch frei erfunden, wenn nicht erlogen in diesem Bericht?
Was mich am meisten ärgert - ich finde das ist wirklich eine Gemeinheit! - ist, daß der Unsinn in meinem Namen trotz aller Beschwerden anscheinend auch in die englische Übersetzung des Endberichts geraten ist. Das ist für mich und auch für FAIR natürlich noch viel schädlicher.
Ich hatte in der Illusion gelebt, daß man bei der Enquete-Kommission unter Freunden oder zumindestens unter ehrlichen Leuten wäre. So eine hinterhältige Behandlung hatte ich wirklich nicht erwartet, zumal ich der Kommission vertrauensvoll auch noch einen ganzen Packen wichtiger Dokumente übergeben hatte.

Ich finde, man schuldet es mir, der englischen Übersetzung eine Korrektur beizufügen und sie nachzusenden, falls Exemplare bereits verschickt worden sind. Viel einfacher wäre es gewesen, den ganzen Abschnitt wegzulassen. Unter den Umständen ist es nicht verwunderlich, daß mir bisher kein englisches Exemplar zugesandt wurde!
Ursula MacKenzie, Hon. Secretary FAIR (im Ruhestand)

MacKenzie-Gandow-Rennebach

Ursula MacKenzie,  Renate Rennebach, MdB und Pfr. Thomas Gandow beim Leipziger Kolloquium 2000


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