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BERLINER DIALOG 21, 2-2000 Michaelis

"Ich wäre glücklich, auch den jetzt Verantwortlichen der SO zu helfen,
wenn sie sich von der Organisation distanzieren"

Rede von Robert S. Minton nach der Verleihung des Alternativen Karlspreises

Leipzig, Deutschland, Alte Börse, am 3. Juni 2000

Sehr geehrte Damen und Herren!
Herzlichen Dank an alle Mitglieder des Komitees und an all die, die dieses Ereignis ermöglicht haben. Herzlichen Dank an Frau Caberta für Ihre Rede!
Ich fühle mich sehr geehrt, an diesem Morgen den Alternativen Karlspreis von meinen geschätzten Kollegen des Europäisch-Amerikanischen Komitees für Menschenrechte und Religionsfreiheit in den USA zu empfangen.

Es ist sehr bewegend, diesen Preis in Leipzig zu erhalten, wo die Freiheit im früheren Ost-Deutschland wiedergeboren wurde.

Foto: Claudia Bartels

Robert S. Minton
Robert S. Minton
am 3. Juni 2000
in der Alten Börse zu Leipzig

1984 ging ich von Westberlin durch den Checkpoint Charlie nach Ost-Deutschland. Der große Unterschied zwischen meinen demokratischen Freiheiten in den USA und der kommunistischen Stasi-kontrollierten DDR hat mich stark getroffen und dieses Erlebnis machte einen bleibenden Eindruck auf mich. Ich erinnere mich genau, wie ich durch das wüste Niemandsland ging, nach Mitternacht auf der Ost-Berliner Seite des Checkpoint Charlie, mit einem schweren Koffer zu einem wartenden staatlichen Taxi für die kurze Fahrt zu dem staatlichen Hotel "nur für Ausländer".
Die DDR sah mich damals in genau derselben Weise, wie Scientologen mich jetzt sehen: Ich war für sie so etwas wie eine "unterdrückerische Person", eine suppressive person", ein "SP" für die DDR, und es war wichtig für sie, meine Gedanken und Informationen den Bürgern vorzuenthalten. Heute in Leipzig stehen wir ganz dicht neben der berühmten Nikolai-Kirche, wo der Freiheitsruf in Ostdeutschland mit einer Handvoll Leute begann, die dann anwuchs zu Hunderten und schließlich zu hundert-tausenden, die in den Strassen nach Freiheit riefen, die dieses Gebäude umgeben, in dem wir uns heute versammelt haben.

Leipzig ist heute frei. Ost- und West-Deutschland sind jetzt wieder vereinigt und die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger sind sehr, sehr glücklich über ihre neu gewonnene Freiheit.
Aber nicht alle Menschen im früheren Ost-Deutschland oder in anderen früher kommunistisch kontrollierten osteuropäischen Ländern sind glücklich mit ihren neuen Freiheiten. Ebenso gibt es auch Leute in den Vereinigten Staaten oder auch in jedem anderen Land der Welt, die lieber möchten, daß jemand anderes die Entscheidungen für sie fällt.

Der Staat trifft keine Entscheidungen mehr für die Bürger im alten Osteuropa. Sie müssen vielmehr selbst ihre neuen Freiheiten anwenden, um selbständige und selbstbestimmte Individuen zu werden. Es ist kein Zufall, dass in einem solchen Vakuum Leute, die nie gelernt haben, die Verantwortlichkeit anzunehmen, die Freiheit nun einmal mit sich bringt, sich jetzt von Organisationen wie Scientology rekrutieren lassen.

Robert Minton und Ursula Caberta
Ursula Caberta überreicht
den Menschenrechtspreis des Europäisch-Amerikanischen Komitees an Bob Minton
Foto: Claudia Bartels

Scientology bietet einen Ersatz für die früheren kommunistischen Regimes, die "wahre Freiheit" versprachen, aber in Wirklichkeit einen Unterdrückungsapparat geschaffen haben, der die Menschen beherrscht und terrorisiert und dies mit seiner Ideologie auch von innen.
Noch einmal muss ich wiederholen: Scientology ist ein Ungeheuer mit zwei Köpfen:
- Zuerst und vor allem ist Scientology eine zielgerichtete, totalitäre politische Bewegung.
  Das ist eigentlich schon die ganze Geschichte!
- Die religiöse Fassade von Scientology, als zweites, ist in Wirklichkeit nicht mehr als eine Tarnung,
  die die politischen Pläne und Absichten maskieren soll.
Scientology benutzt die religiöse Fassade als einen Schutz, um nicht unter die Lupe genommen zu werden. Das ist eine neue Art von politischem Untier, mit dem es noch keine demokratische Gesellschaft zu tun hatte. Es hat erreicht, daß das US-State Department (das Aussenministerium der USA), unter dem Vorwand der Verteidigung der Religionsfreiheit Deutschland und Frankreich wegen religiöser Verfolgung von Scientology verurteilt hat.

Das amerikanische Regierungssystem fußt auf zwei gleich gewichtigen Hauptprinzipien:
- Das erste ist das Prinzip der Demokratie -der Grundsatz, daß die Mehrheit die meisten das Land betreffenden politischen Entscheidungen trifft- und dieser Grundsatz ist eingebettet in den Kern der Verfassung.
- Das zweite große Prinzip, das in den Grundrechten verankert ist, ist der Grundsatz, daß die Macht einer jeglichen Gruppe - sogar die der demokratischen Mehrheit - begrenzt werden muß, um die Rechte und Freiheiten des Individuums zu sichern.

In der kurzen amerikanischen Geschichte hat es niemals eine Zeit gegeben, in der nicht Gruppen oder sogar die Regierung selbst, unter extremistischem Einfluß, versucht hätten, ihre Macht und ihren Einfluß auf Kosten der Freiheiten und Rechte des Individuums auszuweiten.
Scientology entspricht genau dem Typ einer solchen extremistischen Gruppe, die sich verbissen weigert, die Grundprinzipien anzuerkennen, die der Bill of Rights, der amerikanischen Verfassung, zugrunde liegen. Die direkten Angriffe auf unsere elementaren Freiheitsrechte drohen der Bill of Rights die das Fundament der amerikanischen Tradition von Fairness, Gleichheit, Ausgewogenheit und schließlich Gerechtigkeit ist, dauerhaft Schaden zuzufügen. Wir alle sind bedroht durch den Erfolg von Scientology, sich selbst unter dem Mantel der Religionfreiheit zu verbergen. Scientology benutzt dies als ein Mittel, die Aufmerksamkeit der Regierung abzulenken sowohl von ihrer Verletzung der Menschenrechte als auch von ihrer offenen Manipulation juristischer Abläufe.

Frankreich und Deutschland achten die Religionsfreiheit genau so wie die Vereinigten Staaten. Um nicht mißverstanden zu werden: Scientologen haben Recht auf ihre ernsthaften Glaubensüberzeugungen, ein Recht, daß auch ich verteidige. Wir alle - auch Deutschland und Frankreich - haben das Recht und die Pflicht, Widerstand zu leisten gegen die Absichten der Scientology-Organisation; denn was die "Church of Scientology" anstrebt ist die Aufhebung der Trennung zwischen "Kirche und Staat", d.h. genauer: die Aufhebung der Trennung zwischen Religion und Politik.
Was sie beabsichtigen, ist die Instrumentalisierung des Staates zur Schändung unserer Grundfreiheiten durch Richtlinien und Gesetze, die die politischen und gesellschaftlichen Vorhaben von Scientology voranbringen sollen.

1975 hat Scientology in Clearwater ihr Hauptquartier eingerichtet und ein Programm gestartet, das sich "Projekt Normandie" nannte, um Clearwater in die erste von Scientology kontrollierte Stadt zu verwandeln.
Als wir zu entscheiden hatten, wo wir das erste Büro der Lisa McPherson-Stiftung einrichten sollten, schien es uns passend, dies in Clearwater zu tun. Wir haben unser Büro in Clearwater im Januar diesen Jahres eröffnet und nachdem wir kaum ein halbes Jahr dort sind, hat sich herausgestellt, wie wichtig eine solche Organisation in den USA ist. Unsere Organisation ist die erste, die in den USA gegründet wurde, um ausschließlich die Aufklärung über die missbräuchlichen und betrügerischen Praktiken der "Church of Scientology" anzubieten; wir haben erkannt, daß es einen enormen Bedarf für unseren Dienst zugunsten der Opfer der Scientology-Organisation und ihrer Familien gibt.
Wir haben auch festgestellt, daß es sehr wichtig für uns ist, den Bestrebungen von Scientology in Washington D.C., dem Sitz der amerikanischen Regierung, entgegenzutreten, und darum planen wir im kommenden Jahr ein weiteres Büro der Lisa McPherson-Stiftung in Washington D.C. zu eröffnen. Mit diesem Büro am Sitz der US-Bundesregierung wollen wir unsere Regierung über Scientology aufklären und unsere Regierung dazu bringen, mit den Regierungen von Deutschland, Frankreich und anderen Ländern zusammenzuarbeiten, die die Gefahr von Scientology schon erkannt haben.

Wir haben auch erkannt, daß es notwendig ist, unsere Aktionen mit denen in anderen Ländern abzustimmen. Aus diesem Grund planen wir, weitere Zweigstellen der Lisa McPherson-Stiftung in Deutschland, Frankreich und weiteren europäischen Ländern zu eröffnen.

Was mich selbst betrifft: ich wurde in den Vereinigten Staaten geboren, einem freien Land. Ich hatte das Glück, daß es mir in meiner beruflichen Karriere gelungen ist, einige finanzielle Mittel zu erlangen. Dies gelang mir im Gegensatz zu den Unterstellungen der Scientology-Organisation durch ehrliche, harte Arbeit, einschliesslich meines Einsatzes, den ich für die nigerianische Regierung geleistet habe.
Scientology hat versucht, alle meine Tätigkeiten in den Schmutz zu ziehen als etwas, wofür ich mich schämen müsste. Für die Scientology-Organisation ist es anscheinend ehrrührig, ja schändlich, anderen Menschen zu helfen.

Was sie sagen sind Lügen. Ich werde es nicht zulassen, daß ihre Lügen mich zum Schweigen bringen, genauso wie sich keiner der hier Anwesenden durch Scientology mundtot machen lassen wird.
Niemals zuvor erlebte Scientology einen so gut organisierten Widerstand. Trotz aller ihrer Anstrengungen, uns zum Schweigen zu bringen, lassen wir uns nicht aufhalten. Wir haben uns unsere Freiheit hart erarbeitet. Wir werden sie uns von Scientology niemals nehmen lassen.

Jetzt wird es ein bisschen schwierig für Pfarrer Gandow (der die life-Übersetzung machte), denn ich lese jetzt aus der Bibel. Mir wurde diese Bibel hier letzte Nacht von einem Freund gegeben, und ich möchte einen besonderen Satz lesen, ausgewählt von meinem Freund, Psalm 71:13, "Schämen sollen sich und umkommen, die meiner Seele feind sind; mit Schimpf und Schande sollen überschüttet werden, die mein Unglück suchen."    
Doch Gott ist barmherzig; und wir sollen auch barmherzig sein.

Foto: Claudia Bartels

Pfarrer Gandow und Minton Pfarrer Gandow und Bob Minton 


Wir würden die führenden Leute von Scientology, diejenigen, die jetzt verantwortlich sind für die Unmenschlichkeiten der Scientology, gern begrüssen und aufnehmen, wenn sie sich von der Organisation lösen. Ich wäre glücklich, auch ihnen helfen zu können.

Ich sage Ihnen aus tiefstem Herzen Dank für die grosse Ehre, die mir heute zuteil wurde. Es ist wirklich eine Auszeichnung für uns alle, und ich nehme sie stellvertretend für alle an, die für Menschenrechte und Religionsfreiheit einstehen.


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