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BERLINER DIALOG 13, 2-1998 - Michaelis

net.update
von Tilman Hausherr

In den letzten Jahren haben mit dem Internet nicht nur die bereits langjährig aktiven "Sektenkritiker" einen Weg gefunden, einfach zu kommunizieren; es ist auch eine "neue Generation" von Kritikern im Netz entstanden. Diese Serie, net.update, soll den Lesern, die nicht am Internet sind, einen Einblick geben, was dort passiert. Die Berichte sind oft auf Scientology konzentriert - weil Scientology am stärksten auf die "neue Gefahr" durch das Internet reagiert hat. Scientologen im Netz werden heute von ihrer Organisation aufgefordert, eine Art "elektronisches Kondom" auf ihren Computer zu installieren; diese Software verhindert, daß der Computerbenutzer Informationen empfangen kann, die Scientology-kritisch sein könnten. (So werden z.B. alle Texte des Autors unserer Serie net.update von dieser Software für Scientologen "ausgeblendet" und nicht empfangbar gemacht).

Große Fische im Netz

Arnie Lerma: Ein Elektriker aus Virginia der wegen einer Romanze mit einer Tochter von L. Ron Hubbard aus Scientology rausflog. Er wurde von Scientology verklagt wegen Urheberrechtsverletzung und wurde Opfer einer durch Scientology veranlassten Hausdurchsuchung (Private Hausdurchsuchungen sind in den USA möglich mit Gerichtsbeschluß um z.B. gegen Fälscher von Markenartikeln schnell vorzugehen. In allen hier genannten Fällen wurden diese Hausdurchsuchungen später von den gleichen Gerichten (!) für ungültig erklärt, da Scientology sie getäuscht hatte).
Dank Rechtsschutzversicherung konnte Lerma über eine Million für seine Verteidigung aufbringen. Verurteilt wurde er schließlich "nur" zu $ 2500 Schadensersatz und Gerichtskosten. Scientology hatte Millionen gefordert. Auf ihren eigenen Anwaltskosten (auch über eine Million) blieb Scientology sitzen, da das Gericht sich weigerte, Lerma zur Zahlung zu verurteilen. Scientology versuchte sogar, das Urteil zu "versiegeln" (d.h. nicht der Öffentlichkeit zugänglich zu machen) weil der Text zu peinlich war; dies wurde vom Gericht verweigert, mit der Begründung daß "es nicht die Absicht hätte, ein Urteil nur deshalb zu versiegeln, weil es einer Partei nicht gefallen würde."

Lawrence Wollersheim: Ex-Scientologe und Software-Entwickler aus Colorado, gewann verschiedene Prozesse gegen Scientology, darunter eine Schadensersatzklage von 2 1/2 Millionen. Scientology verweigert bis heute die Zahlung, so daß die Summe inzwischen auf über sechs Millionen angewachsen ist. "Wolly" ist Gründer von FACTNet (http:// www.factnet.org), einer elektronischen Bibliothek. FACTNet wurde 1995 von Scientology wegen Urheberrechtsverletzung verklagt und wurde Opfer einer durch Scientology veranlassten Hausdurchsuchung.

Bob Penny: Ex-Scientologe und Gründer einer Software-Firma aus Californien, Mitbegründer von FACTNet. Ebenfalls verklagt. Leidet inzwischen immer mehr an Multipler Sklerose und kann höchstens stundenweise am Geschehen teilnehmen. Er wird durch die Ex-Scientologin Margery Wakefield zu Hause gepflegt.

Dennis Erlich: Ex-Scientologe aus Californien. Flog aus Scientology raus nachdem er versuchte den Kult zu "reformieren". Wurde 1995 von Scientology wegen Urheberrechtsverletzung verklagt und wurde Opfer einer durch Scientology veranlassten Hausdurchsuchung, bekam kostenlos Hilfe von der namhaften Anwaltsfirma Morrison & Foerster. Scientology unterstützt derzeit direkt oder indirekt seine Ex-Frau in einer Klage gegen ihn.

Keith Henson: Erfinder, Wissenschaftler, Software-Entwickler und Scientology-Kritiker aus Californien. Wurde durch Scientology wegen Urheberrechtsverletzung verklagt, nachdem er einen Text ins Internet gebracht hatte der beweist, daß Scientology medizinische Heilungen verspricht. Er wurde deshalb 1998 zu Schadensersatz von $ 75 000 verurteilt. Die meiste Zeit hatte er sich selbst vertreten. Er hat Berufung eingelegt. Henson wurde auch von einem Scientologen bei einer Demonstration angegriffen, gewürgt, "verhaftet" und der Polizei übergeben. Das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt.

Grady Ward: Software-Entwickler und Scientology-Kritiker aus Californien. Wurde durch Scientology wegen Urheberrechtsverletzung verklagt. Die Organisation behauptet, er sei die anonym im Internet veröffentlichende Person "SCAMIZDAT" und hätte Scientology-Materialien ins Internet gespeist. Er bestreitet dies und vertritt sich selbst vor Gericht, bisher teilweise mit Erfolg. Er wurde auch bekannt durch unglaublich beleidigende Texte über die Führer von Scientology, wurde deswegen jedoch nie verklagt. (Wer den Film "Larry Flynt" gesehen hat, versteht warum dies so ist.)

Bob Minton: Multi-Millionär, früher Banker, heute Scientology-Kritiker. Hat etwa 1,7 Millionen für Aktivitäten gegen Scientology gespendet, und wurde auch in SAT1 porträtiert. Er hatte z.B. für Scientology-Kritiker Stacy und Robert Young ein Haus gekauft, so daß die ein Katzen-Asyl weiterführen können. Scientology läßt im Gegenzug seine Familie, Freunde und Geschäftspartner mit allen möglichen Schikanen "untersuchen".

Helena Kobrin: Anwältin von Scientology. Versuchte 1994 erfolglos die Usenet- Diskussionsgruppe "alt.religion.scientology" zu schließen. Beschenkt regelmäßig Scientology-Krititiker (darunter auch den Autor von net.update) mit "rechtlich" klingenden Drohbriefen. Sie ist im Internet daher regelmäßig Ziel von Witzen. http://www.demon.co.uk/castle/helena/

Aus dem Netz gefischt

25. 7. - Knall: Bob Minton erwischt vier Scientologen auf seinem Grundstück, die fotographieren und ihn und einen Gast, ExScientologin Stacy Young, beleidigen. Er feuert einen Schuß in die Luft um sie zu vertreiben. Die Scientologen erstatten Anzeige; das Verfahren wird nach einigen Tagen eingestellt.

30. 7. - Auftritt: Arnie Lerma taucht mit seinem "$cientology kills"-T-Shirt im US-Congreß auf und konfrontiert den aus Italien angereisten Sektenlobbyisten Massimo Introvigne (http://www.cesnur.org) auf einer öffentlichen Anhörung zum Thema "Religionsfreiheit".

3. 8. - Umstieg: Ginger Spice, ausgestiegen aus den "Spice Girls" macht nun bei Scientology mit.

15. 8. - Alimente: Dennis Erlich's Ex-Frau will erreichen, daß er seinen Führerschein verliert, um ihn so zu zwingen, Unterhaltsschulden an sie zu bezahlen (Das Geld hat er nicht - die Schulden stammen aus den Jahren, in denen sie die gemeinsame Tochter vor ihm versteckt hatte; sie "tauchte auf" zu dem Zeitpunkt, wo Scientology ihn verklagte). In den USA ist dies ein Druckmittel um gegen Väter vorzugehen die nicht zahlen wollen.

16. 8. - Statistik: Der Internet Buchversender "amazon.com" verkauft die beiden sektenkritischen Bücher von Steve Hassan (Deutsch: "Ausbruch aus dem Bann der Sekten", bei RoRoRo) und Jon Atack ("A piece of blue sky", Verlag Lyle Stuart) besser als Scientology's Buch "Dianetik" - und das obwohl sie viel teurer sind. Der größte Renner ist aber das noch gar nicht erschienene Buch von Nansook Hong, der Ex-Frau von Hyo-Jin Moon, Moon-Sohn und früheren Welt-Carp-Präsidenten. ("In the Shadow of the Moons", Verlag Little Brown & Company)

17. 8. - Rente: Sun Myung Moon wurde von den englischen früheren Moon-Führern Doris und Dennis Orme verklagt - die beiden wollen eine Rente nach 30 Jahren Arbeit.

18. 8. - Verkehrte Welt: Eine Pressemitteilung von Massimo Introvigne taucht auf. Er empfiehlt u.a., sektenkritische Organisationen zu überwachen wegen "möglicher Gesetzesbrüche".
http://www.cesnur.org/washington3.htm

19. 8. - Anfrage: Ein Scientologe fragt in der Diskussionsgruppe nach meiner Adresse, weil er mich gerne besuchen möchte.

20. 8. - Schreib mal wieder: ScientologyAnwältin Helena Kobrin behauptet, ich hätte Urheberrechte verletzt. Welche dies sind, ist sie jedoch nicht in der Lage zu sagen.

25. 8. - Liebe: Bob Minton und Stacy Young planen anscheinend, zu heiraten.

NewHope
Die Zeiten ändern sich:
Rente für Arme statt "Neuer Hoffnung".
Bild: Archiv Gandow, 7.11.78

28. 8. - CAN: Ein Wiederaufnahmeverfahren für CAN
(Siehe BD 3-96 S. 15 sowie 4-96 S. 28) wird von einem Berufungsgericht abgelehnt. Sieben Richter, darunter der deutschstämmige Stephen Reinhardt, reichen ein Minderheitsvotum ein, in dem sie das Urteil einen "großen Sprung rückwärts" nennen. CAN muß sich nun an das Oberste Gericht wenden.

29. 8. - Neu: Das "neue CAN" hat neue Informations-Seiten, die zwar Sekten verharmlosen, jedoch vom Schreibstil nicht von Scientology kommen. Der Autor von net.update vermutet den anonymen Autor in der "akademischen" Sektenlobby.

30. 8. - Spürnasen: Im Internet taucht die "Wirtschaftsdetektei" "timeservice" auf, die auch eine Seite über Scientology-Kritiker enthält, u.a. über den Herausgeber von "BERLINER DIALOG". Nach einem kurzem e-mail-Austausch werden dem Autor von net.update "juristische Schritte" sowie ein entlarvender Film über Kritiker angedroht. Es darf gezittert werden.

31. 8. - Nervig: Bob Minton erzählt, wie seine Töchter und seine (noch) Ehefrau durch Scientology belästigt werden.

1. 9. - Gigantisch: Drei italienische Sektenkritiker präsentieren ein gigantisches Internet-Angebot über CESNUR und Massimo Introvigne, der tatsächlich mit einer rechten Sekte verbunden ist:
http://xenu.com-it.net/cesnur/

3. 9. - Beobachtung: Stacy Young berichtet über wochenlange Belästigungen des neuAussteigers Jesse Prince, von dem inzwischen selbst Scientology-Anwälte zugeben, daß er die frühere Nummer 2 sei. Vor Gericht bitten die Anwälte daher, daß Jesse Prince doch über alles in der Sekte schweigen möge. Abgelehnt.

6. 9. - Regulär: In den USA vergeht keine Woche ohne daß irgendwo in den USA Leute gegen Scientology demonstrieren. Teilweise wird von Scientology "zurückdemonstriert", d.h. Scientologen demonstrieren vor den Wohnungen von Kritikern und verteilen Propaganda.

8. 9. - Citizen Kates: Ex-Scientologin Charlotte Kates schreibt ihre Geschichte auf, u.a. wie sie als Scientologin gegen die Mitglieder der Deutschen Enquete Kommission demonstrierte.
http://members.aol.com/clkates/

10. 9. - Aua: Bob Minton wird bei einer Mahnwache vom Scientologen Frank Ofman geschlagen; als er versucht sich zu wehren, wird er verhaftet. Gegen eine Kaution von $ 25 wird er wieder freigelassen. Die Polizei beschlagnahmt ein Videoband.

11. 9. - Täterschutz: Das Gericht hebt die Kaution für Bob Minton auf, verfügt jedoch (standardmäßig) daß Bob Minton sich nicht näher als 100 yards seinem "Opfer" nähern darf. In Los Angeles führte eine solche Verfügung dazu, daß ein Scientologe ständig bei dem Scientology-Büro rein und rausging, um einen Kritiker am Demonstrieren zu hindern. Im Internet taucht bereits ein Foto auf das zeigt wie Frank Ofman Bob Minton angreift.
Http://members.aol.com/clkates/minton.html

12. 9. - Heiß: Das internet ist überlastet weil jeder den "Starr Report" über Bill Clinton's Affäre mit Monica Lewinsky liest. Ausnahme: einige Scientologen demonstrieren vor einem Lokal wo ein Scientology-Kritiker Tanzabende für Singles organisiert.

14. 9. - Unheimlich: Zenon Panoussis verliert sein Prozeß um die "geheimen" Scientology Materialien die er in Schweden verteilt hatte, und muß etwa DM 200 000 zahlen. Er wohnt jedoch inzwischen in den Niederlanden und feiert in dem Armen seiner Freundin Karin Spaink. Er wird Berufung einlegen. Die Materialien sind jedoch weiterhin in Schweden verfügbar.

15. 9. - Vergleich: Der erste Beklagte in dem Scientology-Todesfall Lisa McPherson gibt auf. Der Arzt Dr. David Minkoff (genau genommen seine Versicherung) zahlt an die Kläger die Summe von $ 100 000 (Etwa DM 170 000).

16. 9. - Uni: In der Zeitung "Boston Globe" wird die dortige Uni kritisiert weil sie seit Jahren den berüchtigten scientologischen Rechtsanwalt Earle Cooley als Vorsitzenden hat.
Http://www.snafu.de/ ~tilman/bu/

17. 9. - Versprechen: Nach einer Bemerkung über eine Internet-Seite der Detektei "timeservice" kündigt diese eine Schadensersatzklage und einstweilige Verfügung an, und reicht noch weitere Drohungen nach. Die kritisierte Seite verschwindet jedoch erst teilweise, dann vollständig; gleiches geschah kurz davor mit der Seite in der andere Kritiker attackiert wurden.

17. 9. - Vergleich: Zwischen scientology und Grady Ward wird ein Vergleich festgelegt, nachdem er Scientology bis zu seinem Lebensende $ 200 zahlt. (Dies entspricht Zinsen aus etwa $ 35 000) Eine Schuld wird nicht eingestanden. Sollte er nicht in der Lage sein zu zahlen oder wird von Scientology erfolgreich wegen Urheberrechtsverletzung oder Beleidigung verklagt, muß er $ 3 000 000 zahlen. Unklar ist jedoch ob der Vergleich tatsächlich rechtlich korrekt ist. In dem Prozeß hatte Scientology über 10 Millionen gefordert.

18. 9. - Wau: Stacy Young's Mutter bekommt spätabends Besuch von einer Scientologin, die einen üblen Brief über Stacy einwirft. Daraufhin läßt diese ihren Rauhhaarterrier "Woozel" auf die Scientologin los, mit der Anweisung "Faß!". Die Scientologin rettet sich in ihr Auto und rast davon.
Http://www.geocities.com/researchtriangle/7959/woozel.html

20. 9. - Geld her: In Toronto, Canada demonstrieren 17 Scientology-Kritiker. Bob Minton ist auch da und wedelt mit DM-Scheinen vor den Scientologen herum, um zu "beweisen" daß er von Deutschland bezahlt wird, sowie mit einer gräßlichen Maske, die das "wahre Gesicht" von Scientology zeigen soll.

25. 9. - Abgeschlossen: Scientology versucht die Leute vom "echten" CAN daran zu hindern an ihre Unterlagen zu kommen, indem sie die Lagerfirma bedroht. Nun sind alle Unterlagen für CAN gesperrt.

30. 9. - Mager: Laut der australischen Volkszählung 1996 gibt es mehr Satanisten (2091) als Scientologen (1488).
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