Als sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut

Weihnachtliche Betrachtungen über Synkretismus und Dialog

von Thomas Gandow

Inhalt

  1. Einführung
  2. Waren Kaspar, Melchior und Balthasar tibetische Buddhisten?
  3. Fand Jesu Geburt unter einer Dattelpalme statt?
  4. Andere Weihnachtsgeschichten
  5. Was läßt sich wirklich über die drei Magier sagen?
  6. Die Geburt des Erlösers
  7. Fest einer Idee oder Fest der Menschwerdung?
  8. Anmerkungen


Einführung

Das Weihnachtsfest bringt christliche Identität zum Ausdruck und kann solche Identität stiften1. Es ist das gemeinsame Fest der Christenheit, auch wenn es auf Grund unterschiedlicher Kalender zu verschiedenen Terminen gefeiert wird2. Kein Wunder, daß es besonders selbstverständlich gefeiert wird. Das bedeutet, daß bei gewohnheitsmäßigem Gebrauch Begründungen verloren gehen können. Und das heißt auch, daß es zugleich besonders angefragt und in Zweifel gezogen werden kann. Das fängt mit Umdeutungen und Neuerklärungen an. Christliche Besonderheiten und auch Merkwürdigkeiten des Festes werden so nivelliert, religiös "vernünftig" interpretiert oder auch in die allgemein-menschliche oder allgemein-religiöse Sicht gestellt und damit entschärft, z.B. : "wunderbare Geburten gibt es überall" oder : "Alle Religionen wollen irgendwie das Gleiche also hängen alle Religionen auch irgendwo zusammen" - was sich dann auch darin zeigen soll, daß eigentlich alle Ausdrucksformen der Religionen "irgendwie" zusammenhängen oder auf das selbe hinaus laufen, womit ihnen jedoch ihr Eigentümlichstes geraubt wird. Aus der anderen Richtung kommen die Angriffe, die z.B. gerade in den Selbstverständlichkeiten des Festes den Ausdruck von Abfall und Irrtum sehen und deshalb hier im Zentrum ihre andere Lehre plazieren und pflanzen wollen.

Waren Kaspar, Melchior und Balthasar tibetische Buddhisten?

Eine der phantastischsten Reinterpretationen ist die Überlegung, ob nicht die Weisen aus dem Morgenland, die "Heiligen drei Könige", eigentlich tibetische Lamas waren? Sie seien eine Delegation tibetischer Buddhisten gewesen, ausgesandt, die Reinkarnation eines Lama zu identifizieren. Ihre Geschenke seien nichts anderes gewesen als das Spielzeug und die kultischen Gegenstände, die sie stets dem zu prüfenden Kind vorlegen. Faßt es nach den richtigen Dingen, gilt dies als Beweis, daß er seine Habseligkeiten aus seiner früheren Inkarnation wieder erkannt habe. Eine schöne Geschichte, die in der esoterischen Szene umgeht aber nur eben nicht stimmen kann: Weil der VajrajanaBuddhismus erst im 7. Jahrhundert christlicher Zeitrechnung nach Tibet kam. Das erste Kloster mit Lamas wurde sogar erst Ende des 8. Jahrhunderts in der Nähe von Lhasa von Padmasambhava gegründet und der Zölibat, der die Suche nach einem Nachfolger für die nun kinderlosen Lamas erst erforderlich machte, wurde erst durch den Reformator Tsong-kha-pa (1357-1419), also nach unseren Begriffen im Spätmittelalter, eingeführt. So einfach diese Geschichte zu widerlegen ist, wenn die Grunddaten des tibetischen Buddhismus zur Hand sind, so zentral richtet sie sich gegen die Zumutung der Weihnachtsgeschichte, hier sei ein für alle Male der Heiland geboren. Die LamaGeschichte versucht, die Christgeburt und die Merkwürdigkeit des Besuchs der Weisen zu einem im tibetischen Buddhismus gewöhnlichen Vorgang zu veralltäglichen: Routinemäßige Auffindung eines Amtsnachfolgers durch die zuständige Suchkomission.

Fand Jesu Geburt unter einer Dattelpalme statt?

Anscheinend noch schwieriger wird es für die öffentliche Meinung, wenn Faktenwissen über die eigene Tradition und Geschichte gefragt wäre. Werden phantastische Reinterpretationen nicht bei esoterischem Party-Talk weitergegeben, sondern in einer renommierten Tageszeitung abgedruckt, kommt mancher Leser ins Schliddern, ohne zu merken, daß man ihn "mitten im kalten Winter" aufs Glatteis geführt hat. Deckel des Adelphia-Sarkophages, um 340 Ein "Islamexperte" wollte, gerade "zur Weihnachtszeit" biblische und Kirchengeschichte neu schreiben3. Getrieben war er wohl von dem Anliegen, den christlichen Kirchen den Reichtum an Gemeinsamkeiten mit den Muslimen klarzumachen und dadurch der Gefahr neuer Glaubenskriege zwischen Abendund Morgenland entgegenzuwirken. Heraus kam "Fantastische Wissenschaft" und zugleich ein Versuch, alle Bezüge zur christlichen Geschichte und Überlieferung in einer populären "missionarischen" Anknüpfung, wie sie von manchen muslimischen Sekten geübt wird, zu verändern. Solche werbende "Anknüpfung" setzt voraus, daß der "Abendländer" und die Redaktion seiner Zeitung nichts mehr über die eigene Kirchen- und Religionsgeschichte weiß, seiner eigenen Festtradition ganz unsicher geworden ist. Da stand dann: "Die Geburt Jesu unter einer Dattelpalme nahe einer Quelle ... (kehrt) auf vielen Bildtafeln aus frühchristlicher und byzantinischer Zeit wieder. Der Stall von Bethlehem war den christlichen Künstlern zur Zeit Mohammeds noch unbekannt".

So sollte die im Koran als Geburtsort genannte Palme als möglich nahegebracht werden. Abgesehen davon, daß in den Evangelienberichten eine Palme in diesem Zusammenhang gar nicht erwähnt wird, sondern bei Lukas von einer Krippe die Rede ist: Schon 335 ließ die Hl. Helena, die Mutter Konstantin des Großen, eine Basilika über der Geburtshöhle in Bethlehem erbauen und künstlerisch ausgestalten. Und Hieronymus, (* 340/50 + 420), der seit 386 mit seiner Freundin Paula in Bethlehem lebte, berichtet (kritisch?) schon von einer geschmückten, silbernen Krippe, die die frühere, landesübliche lehmgemauerte Krippe ersetzt hatte. Seit dem 5. Jahrhundert wird in Rom zu Weihnachten in der Kirche Santa Maria Maggiore an einer Nachbildung der bethlehemitischen Krippe in einer unterirdischen Kapelle eine vom jeweiligen römischen Papst zu lesende Mitternachtsmesse gefeiert. Von den übrigen Zeugnissen christlicher Kunst aus dem dritten bis sechsten Jahrhundert, angefangen schon bei den Katakombenmalereien, garnicht erst zu reden. Sie zeigen eben keine einsame ledige Mutter unter der Palme, die sich versteckt, sondern das Kind in der Krippe mit Ochs und Esel, Maria mit den drei (!) Weisen, mit Josef, Hirten oder Bileam und das oft in der Nähe einer angedeuteten Stadt, Bethlehems; und natürlich den Stern.

Statt auf eindeutige kirchliche Überlieferung will sich der "Islam-Experte" lieber auf apokryphe Evangelien, also von den Kirchen nicht anerkannte Schriften stützen, die mehr "Gemeinsamkeiten" mit dem Islam zu bieten scheinen: "Zu Zeiten Mohammeds" behauptet er, seien z.B. solche "Kindheitsevangelien" noch "ohne Bedenken zu den gültigen Zeugnissen über das Wirken des Messias hinzugezählt" worden, denn der Kanon des Neuen Testaments, sei "vor allem bei den Kirchen des Ostens noch nicht abgeschlossen" gewesen. - Nun ist die Kanonbildung gerade von den Kirchen des Ostens vorangetrieben worden. Die sogenannten apokryphen Evangelien standen dabei gar nicht zur Debatte, sondern kamen erst später auf. Origines (* ca. 0 + 254) klassifizierte 250 die überlieferten Schriften weitgehend wie heute. Die "apokryphen" Schriften spielten damals noch gar keine Rolle. Als Datum für den endgültigen Abschluß der Kanondiskussion im Osten gilt übrigens der 39. Osterfestbrief des Athanasius (* 295 + 373) aus dem Jahre 367, was immer noch einige Zeit vor der Entstehung des Korans liegt. Gerade die knapp gehaltene Schilderung der Geburt und Kindheit Jesu in den "klassischen" vier Evangelien hat zur Bildung von sog. Kindheitsevangelien angeregt. Es gab (und gibt) eine Fülle außerkanonischer legendarischer, frommer Literatur, (wie z.B. in diesem Jahrhundert die Christuslegenden von Selma Lagerlöf) ohne jeden historischen Quellenwert, aber nicht unbedingt heterodox (d.h. in den Kernaussagen nicht unbedingt abweichend von der allgemeinen kirchlichen Lehre).

Die Kindheitsevangelien sind allerdings aufschlußreich für unsere Kenntnis über die Gestalt damaliger christlicher Frömmigkeit. Gerade das göttliche Kind ist in ihnen der Grund der Verehrung der Mutter als "Gottesgebärerin" (Konzil von Ephesos 431). Schon Ende des 2. Jahrhunderts hatte sich eine inkarnatorische Christologie allgemein durchgesetzt, die besagt, daß sich in Christus Gott selbst offenbart genau dagegen aber wenden sich Mohammed und der Koran, und entsprechend spricht auch das Jesuskind des Korans unter der Palme, also gegen die kirchliche Lehre von der Gottheit Christi, die im Weihnachtsfest ebenso wie im nicänischen Bekenntnis ausgedrückt wird. Der Versuch, mit Hilfe von Uminterpretationen Christentum und Islam auf die gleichen Wurzeln zurückzuführen, ist, selbst wenn er gut gemeint sein sollte, sachlich falsch und wenig hilfreich. Tatsächlich gibt es einen gewissen Schatz an Gemeinsamkeiten. Aber besonders die Veränderungen christlicher und jüdischer Inhalte und Aussagen durch Mohammed zeigen ihn als eigenständigen theologischen Denker. Mit seiner bewußten Ablehnung zentraler christlicher Glaubenssätze formulierte er eben nicht, was theologisch möglich war und sowieso alle dachten. Gerade aus der Spannung zu christlichen Vorstellungen, nicht aus der Nivellierung in angebliche Gemeinsamkeiten ergeben sich die Möglichkeiten echten Gesprächs. Nicht "fließende Übergänge", sondern Klarheit im Denken und in der Unterscheidung und Präzision in der Sache sind hilfreich für friedliches Miteinander. Mehr noch: Solche Klarheit und Eindeutigkeit, die die Eigenart des anderen nicht weg interpretiert, sondern ernst nimmt, ist die Voraussetzung des echten Dialogs.

Andere Weihnachtsgeschichten

Da das Weihnachtsfest tief mit den grundsätzlichen christlichen Lehren über Christus ("Christologie") zusammenhängt, müssen besonders die christentumsnahen Gruppen und christlichen Sekten, die eine andere Lehre über die Person und Rolle des Messias vertreten, Schwierigkeiten mit dem Weihnachtsfest haben. Sie müssen es uminterpretieren, können es nicht mitfeiern und polemisieren daher gegen das Fest. Teilweise versuchen sie deshalb auch, direkt in die Weihnachtsgeschichte einzugreifen und diese selbst umzuinterpretieren. Weihnachten im "esoterischen Christentum" Steiners Besonderes weiß z.B. die von dem Anthroposophen Rudolf Steiner4 inspirierte Christengemeinschaft zum Weihnachtsfest mitzuteilen: Der "Geist der Sonne" habe sich als "Christus" in dem Menschen Jesus inkarniert wie in der anthroposophischen Vorstellung üblich, nicht mit einem Male, sondern schrittweise. Diese Inkarnation habe bei der Taufe Jesu am Jordan erst seinen Abschluß gefunden. Daher wird der 6. Januar in der Christengemeinschaft als "Mittel- und Wendepunkt der ganzen Menschheits- und Erdengeschichte" gefeiert. Neben dieser "offiziellen" Lehre gibt es aber auch "esoterische Deutungen" der biblischen Berichte über Jesus. Der Sektenfachmann Hutten berichtete über diese esoterischen Lehren: "Aus der Tatsache, daß bei Matthäus und Lukas zwei verschiedene Stammbäume Jesu genannt werden, daß nur Matthäus und Lukas eine Geburtsgeschichte Jesu enthalten und daß die beiden Berichte sich völlig voneinander unterscheiden, zog Steiner den Schluß: Der Jesusknabe, dessen Geburt in Matth. 1 f. erzählt wird, war ein anderer als der Jesus der LukasGeschichte (Luk.2).

Beider Eltern heißen Joseph und Maria. Beide waren verschiedener Herkunft, verschiedener Art und hatten verschiedene Kinderschicksale. Als sie 12jährig am Osterfest den Tempel besuchten, verschmolzen sie miteinander und auch von den Elternpaaren starb je ein Teil, während die Überlebenden sich in einer neuen Ehe verbanden."5 Steiner sieht in seiner Schrift "Weihnachtsfeier" "die Kraft des in der vorchristlichen Zeit weisesten Menschen, des Zarathustra, in dem einen Jesusknaben. Wir haben des anderen Aura durchhellt und durchleuchtet von dem, was von Buddha ausgegangen ist".6 Weltweite Kirche Gottes Die "Weltweite Kirche Gottes" (Armstrong), in Deutschland mit ihrer Zeitschrift "Klar und Wahr" sehr präsent, zählte bisher zu den eifrigsten Kämpfern gegen das angeblich heidnische Weihnachtsfest. Eine regelrechte Polemik hat sich gegen das Weihnachtsfest entwikkelt7. Der Weihnachtsbaum wird als Götze nach Jeremia 10,2-4 bezeichnet, obwohl es dort um ein aus Holz geschnitztes Götterbild geht. Die Weisen aus dem Morgenland seien Teil einer dämonischen, antichristlichen Verschwörung gewesen, die nur zum Schein zur Anbetung erschienen seien. Jehovas Zeugen Erst seit 1928 hat die Wachtturm-Organisation ihren Kampf gegen das Weihnachtsfest angefangen. Das Weihnachtsfest sei biblisch nicht geboten, hieß es dann. Jetzt wird argumentiert, es beinhalte auch heidnische Elemente. Besonders gefährlich am Weihnachtsfest sei, "daß man Jesus anstelle seines Vaters, Jehova Gott,"8 anbete.

Für viele Zeugen Jehovas wird der Kampf gegen das Weihnachtsfest und der Verzicht auf das Weihnachtsfest zum eigentlichen Bekehrungserlebnis zur Wachtturm-Organisation. Sichtbar wird die Entscheidung am Verzicht auf den Christbaum9, der in besonderer Weise als heidnisch bekämpft wird. Auch über die Weisen aus dem Morgenland und ihren Stern wissen Jehovas Zeugen nur Negatives: "Der 'Stern' war ein Licht, das Satan gebrauchte, um Astrologen (Dämonenanbeter) bei seinem schlauen Plan zu gebrauchen, Jesus zu finden, damit Herodes ihn vernichte" heißt es in der Anti-Weihnachtsschrift der Jehovas Zeugen10. Der "Bruderdienst", eine Hilfsorganisation für Jehovas-Zeugen-Betroffene, regt an, dagegen zu fragen: "'Waren die Weisen Heiden?' Antwort: 'Ja.' Frage: 'Haben die Weisen Jesus geehrt?' Antwort:'Ja.' Frage: 'Wie nennt man in der Bibel die Heiden, die sich zu Jesus bekennen?' Antwort: 'Christen!' (Apg. 11,29)."11

Was läßt sich wirklich über die drei Magier sagen?

Zu ihrer pfiffigen Argumentation kann man den Bruderdienst-Freunden gratulieren. Wir wissen ja nicht mehr über die drei Weisen, als die Geschichte im 2. Kapitel des Matthäusevangelium erzählt. Volkstümlich wird von den "Heiligen Drei Königen" gesprochen. Eigentlich ist aber gar nicht von drei Königen, sondern von Weisen die Rede, auch nicht von dreien. Immerhin ist aber in Matth. 2, 1-12, von drei Gaben die Rede, aus denen die Dreizahl der Weisen schon von Origines (185-254) erschlossen wurde. Anbetung der Magier, Priscilla-Katakombe, vor 250 Die Weisen waren jedenfalls keine Juden, sondern gehörten zu den Völkern, waren Heiden. Luther meinte: "Sein eigenes Volk, die Juden, die da die Schrift lasen und verstanden, sind trotzdem nicht zu ihm gekommen. Die Magier aber aus fernen Landen, die doch keine Juden waren, haben ihn gefunden. Dies bedeutet, daß es nicht genug ist, nur die Schrift zu kennen, um Christus zu finden."12 Das in der heutigen Lutherbibel mit "Weise" übersetzte Wort "magoi" (vgl. unser Wort Magier) bezeichnet bei Herodot Angehörige eines bestimmten medischen Stammes, die später die wichtige persische Priesterkaste stellten. Sie befaßten sich u.a. mit Sternkunde und Astrologie, waren gewissermaßen typische Heiden.

Nach dem Matthäusevangelium waren solche "magoi" geleitet von einem Stern bis nach Jerusalem gekommen. Aber nicht der Stern, der sie zunächst führte, sondern die Bibel (Matth. 2, 4 ff.) bringt sie nun weiter auf den Weg nach Bethlehem. Für die frühe Kirche stehen sie für die Könige aus Ps. 72, aber auch für Bileam, der Israel fluchen wollte und sollte, aber nur noch segnen konnte. Der (nicht jüdische, sondern ebenfalls heidnische) Seher und Prophet Bileam sprach von dem Stern, der aus Jakob aufgehen würde "Ich sehe ihn, aber nicht jetzt; ich schaue ihn, aber nicht von nahem: Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen und ein Zepter aus Israel aufkommen." (4. Mos. 24,17) Die Magier haben den Stern gefunden: "Als sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut." (Matth. 2,10). Erfüllt wurde das Schriftwort: "Die Heiden werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht" (Jes. 60,3). So Bileam und Maria mit dem Jesuskind, Priscilla-Katakombe, 230-240 sind die Magier die ersten Heiden, die kommen. Die messianische Heilszeit ist angebrochen, in der Gott allen Menschen nahe kommt und in der alle Menschen, auch die Heiden, zu Gott kommen können.

Die Geburt des Erlösers

Betont und gefeiert wird in den Evangelien, in den frühen Katakombenbildern und in der Festliturgie vor allem die (Heils-) Tatsache der Geburt Jesu Christi als Erlöser und damit die Erfüllung alttestamentlicher Weissagungen. Das ganze Alte Testament wird auf die Erfüllung in Jesus hin in Anspruch genommen von Adam und Eva über Bileam bis zu den messianischen Weissagungen der späten Propheten. Die besondere Feier, die Evangelien und dann die Bekenntnistexte wollen aber nicht nur den Schriftbeweis hervorheben, sondern auch die Tatsache der wirklich menschlichen Geburt Jesu feiern.

Fest einer Idee oder Fest der Menschwerdung?

Heute gibt es nicht nur in den Sekten und Bewegungen außerhalb, sondern auch im Christentum wieder starke Strömungen, die das Christusgeschehen rein symbolisch und mythisch deuten wollen. Interpreten haben uns erzählt, wie wichtig doch gerade der goldene Schimmer von Mythen und Legenden sei, wieviel sie bedeuten und daß das doch auch das "Eigentliche" sei, wichtiger und mehr als das angeblich nur Vordergründige, Widersprüchliche und Anstößige. "Weihnachten das bedeutet eigentlich ..." so fangen diese Interpretationen an und schließen sich damit an die obskuren Sektengeschichten an. Aber solche Weihnachtsgeschichten sind weniger modern als man denken möchte: Schon sehr früh gab es neben den direkten Bestreitern des Festes auch Leute, die meinten, im übertragenen Sinne, und nur "rein geistlich" sei Weihnachten zu verstehen, mehr als Beginn der "Christusidee". Weihnachten wurde uns auch als das Fest solcher Idee erklärt: "Das Licht überwindet das Dunkel!" Oder beinahe noch mehr: Weihnachten: Das Fest "der Familie", "der Mütterlichkeit", "der Kinder". Gegen solche stets moderne Verflüchtigung ins Ideale und damit ins Unverbindliche, aber auch gegen die Bestreitung der "Inkarnation" (= "Einfleischung") setzte sich in der Kirche recht früh die starke Betonung der Leibhaftigkeit und Menschlichkeit Jesu durch - und damit auch das Fest, das seine Geburt feiert. Die drastische Betonung der Menschwerdung im Weihnachtsevangelium des Lukas ("und wickelte ihn in Windeln") zeigt, daß Christen schon im 1. Jahrhundert mit ihrem Verständnis der Christgeburt das ganze Gegenteil einer romantischen Göttersage oder Mythe meinten. Mit der Feier seiner Geburt in Stall und Krippe, als Sohn der Maria bekannte sich die Kirche zur Menschheit, Schwäche und Unscheinbarkeit des Messias. Im Barnabasbrief, ca. 130 n. Chr. heißt es über das Weihnachtswunder: "Denn wäre er nicht in fleischlicher Gestalt gekommen, hätten die Menschen vor seinem Anblick nicht bestehen können; sie können ja nicht einmal die Sonne mit ihren Augen anschauen, die doch nur das Werk seiner Hände ist, wieviel weniger den Glanz seiner Herrlichkeit."

Anmerkungen

1 Wer ausführliche Argumente und Begründungen sucht, den möchte ich verweisen auf meine Veröffentlichung zum Thema: Thomas Gandow, Weihnachten. Glaube, Brauch und Entstehung des Christfestes, Münchener Reihe 658, München 1994 (2); einige der Beispiele habe ich dort entnommen.

2 Die Wahl des Datums (6. Januar oder 25. Dezember) ist durch theologisch motivierte Berechnungen bestimmt. Der Ausgangspunkt dieser Berechnungen war das überlieferte Datum der Kreuzigung Jesu am 7.4.30, aber sicherlich auch der Gedanke der Erfüllung alttestamentlicher Weissagungen in Bezug auf Messias und Tempel. Zu Einzelheiten vergl. den Literaturhinweis in Anm. 1. Die Armenische Apostolische Kirche kennt die Feier am 24./25.12. nicht, sondern feiert als einzige christliche Kirche Christi Geburt und Taufe zugleich am 6. Januar. 287 bekehrte Gregor "der Erleuchter" das ganze Land zum christlichen Glauben. Das Christentum wurde 301 (also vor Konstantin und vor der sogenannten "Konstantinischen Wende" im Römischen Reich) zur armenischen Staatsreligion und die armenische Kirche zu einer National- und Volkskirche. Trotz vieler Widrigkeiten und schweren Verfolgungen und Pogrome blieb das Volk dem christlichen Glauben über Jahrhunderte treu. Heute wird mit der genannten Ausnahme der Armenier überall am 24./25.12. die Christgeburt gefeiert. (Nur daß eine Reihe orthodoxer Kirchen noch nach dem julianischen Kalender zählen, der inzwischen 13 (!) Tage nachgeht, sodaß ihr 24./25.12. jetzt unser 6./7.1. ist.)

3 Peter Schütt: "Und sie empfing ihn und zog sich zurück" Das Weihnachtsevangelium nach dem Koran, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Donnerstag, 22. Dezember 1994

4 Eine gute Einführung bietet Jan Badewien: Die Anthroposophie Rudolf Steiners, Münchener Reihe 662, München 1994. Vergleiche zu den religionsgeschichtlichen Anleihen Steiners auch Bernhard Maier: Die Religionsgeschichtliche Stellung der Anthroposophie, ARW, München 1988 (Zu beziehen über ARW, Postfach 500107, D-80971 München, Fax: 089-64152)

5 Kurt Hutten: Seher, Grübler, Enthusiasten. Das Buch der traditionellen Sekten und religiösen Sonderbewegungen. Stuttgart 1982, S. 700, Anm. 324

6 Rudolf Steiner: Weihnachtsfeier (19), Dornach 1977, S. 34

7 z.B. in der Schrift von Herbert W. Armstrong: Die Wahrheit über Weihnachten, Pasadena 1981 (4), S. 6.

8 Weihnachten - Warum gefährlich? in: Der Wachtturm, 15.12.1984

9 Kleiner Weihnachtsbaum-Exkurs Der heutige Weihnachts(lichter)baum ist erst entstanden im 17. und 18. Jahrhundert im Zusammenhang mit der Sitte der Kinderbescherung. Zunächst scheinen auch Buchsbäume benutzt worden zu sein. Es gibt keinen heidnischen Bezug bei unserem Weihnachtsbaum. Es gibt aber eine eigenständige, wichtige jüdisch-christliche Baumsymbolik. Für Christen ist der Weihnachtsbaum auch Symbol des Paradiesbaumes. Er weist uns auf die Heilsbotschaft hin, daß Christus uns den Zugang zum Paradies wieder eröffnet. Schließlich ist der 24.12. in der Kirche seit alters auch der Tag von Adam und Eva, den Stammeltern der Menschheit. Eine Legende sagt, der Baum des Kreuzes, an dem Christus gestorben ist, sei ein Abkömmling des Paradiesbaumes gewesen. Der Schmuck der ersten weihnachtlichen Bäume mit Äpfeln (Paradiesfrucht) und Oblaten oder Brezeln (=Hostien, Leib Christi) zeigt diesen Bezug. Und mehr noch: Die Tanne wird im Alten Testament zum Bilde Gottes, wenn der Prophet Hosea als Gotteswort aufschreibt: "Was sollen dir weiter die Götzen? Ich will dich erhören und führen, ich will sein wie eine grünende Tanne; von mir erhältst du deine Früchte." Hosea , 9). Im Anti-Weihnachtsbaum-Eifer konnte die Sekte "Jehovas Zeugen" auch diesen Tannenbaum nicht stehenlassen. Die hier als Bild für die gnädige Zuwendung Gottes benutzte immergrüne Zypresse, der Nadelbaum des Südens, mutierte in ihrer auch sonst der Sektenlehre gebeugten Übersetzung zum Wacholderbaum. (Vgl. "Neue-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift, Übersetzt nach der revidierten englischen Ausgabe 1984 unter getreuer Berücksichtigung der hebräischen, aramäischen und griechischen Ursprache revidiert 1986, New World Translation of the Holy Scriptures, German (bi12X)", New York/Selters 1989). Jedoch ändert selbst diese Variante nichts daran, daß sich Gott hier mit einem immergrünen Baum vergleichen läßt!

10 Weihnachten - Warum gefährlich? in: Der Wachtturm, 15.12.1984

11 Brücke zum Menschen - Ein Bruderdienst an Sektenopfern, Suchenden und Angefochtenen, sowie an allen, die ihnen helfen möchten, Heft 83/84, 1985/II

12 Martin Luther: Predigt zu Dreikönig 1521

Feiertag des DCI am 6. Januar 1996 in Berlin Weihnachtsgottesdienst 18.00 Uhr Kirche zur Heimat, 14165 Berlin-Zehlendorf Predigt: Pfr. Daniel Matejka, Budweis, Ev. Kirche der Böhmischen Brüder Weihnachtsfeier 19.00 Uhr im Gemeindesaal der Kirchengemeinde zur Heimat, Heimat 27 Alle Freundinnen und Freunde des Dialog Center International und des Provinzialpfarramtes für Sekten- und Weltanschauungsfragen des Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg, alle Spender und Unterstützer laden wir herzlich ein zu Gottesdienst und Weihnachtsfeier am 6. Januar, dem Feiertag des DCI, um 18.00 Uhr in der Kirche zur Heimat in 14165 Berlin-Zehlendorf. Im Anschluß an den Gottesdienst findet ab 19.00 Uhr unsere Weihnachtsfeier statt. (Verkehrsverbindung: S-Bhf. Zehlendorf, Bus 110 Leo-Baeck-Str.)


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