Seite 45 = letzte Seite n_links Start-Seite 1
  

BERLINER DIALOG 24-25, 1/2-2001

 DIALOG UND APOLOGETIK

Stichwort: Mormonen / Mormonismus
auch: "Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage" (HLT) oder Latter Day Saints (LDS)
von Rüdiger Hauth

Gründer
Der Mormonismus geht auf den amerikanischen Farmgehilfen Joseph Smith zurück, der am 23. Dez. 1805 im US-Staat Vermont geboren wurde. Das Familienleben der Smiths war von Aberglaube und religiöser Unruhe bestimmt. Als Jugendlicher hatte Joseph Smith versucht, u.a. mit Hilfe von Kristallkugeln in der Erde verborgene Schätze aufzuspüren und war deshalb von einem Gericht wegen Betruges verurteilt worden. Später berichtete er davon, daß ihm in einem Wäldchen bei Palmyra/NY Gott und Jesus Christus erschienen seien und den Auftrag erteilt hätten, "das ursprüngliche Evangelium wiederherzustellen". Denn alle Kirchen seien vom wahren Glauben abgefallen, und ihre Bekenntnisse seien in den Augen Gottes "ein Greuel". 1823 sei er darum von einem Engel namens Moroni besucht worden, der ihm auf dem Hügel Cumorah bei Palmyra vergrabene, geheime Schriften, angebliche "Goldene Platten" gezeigt habe. 1827 habe er diese Unterlagen dann ausgehändigt bekommen und deren "altägyptische Schriftzeichen" mit Hilfe einer ebenfalls übergebenen Zauberbrille "übersetzt". 1830 wurde diese "Übersetzung" unter dem Titel "Das Buch Mormon" veröffentlicht. Später kam als Sammlung weiterer "übersetzter" Schriften noch die "Köstliche Perle" hinzu.
Als sich Smith in Nauvoo/Illinois unter anderem gegen die kritische Berichterstattung in der örtlichen Zeitung über seinen polygamen Lebenswandel ("Vielweiberei") mit Gewalt zur Wehr setzte und dabei die Zeitungsdruckerei zerstörte, wurde er im Juni 1844 in das Gefängnis von Carthage/Illinois gebracht, dort aber am 27. Juni nach einem Schußwechsel mit einer aufgebrachten Menschenmenge, die in das Gefängnis eingedrungen war, erschossen.

Geschichte und Ausbreitung
Am 6. April 1830 gründete Joseph Smith mit einigen Freunden im Bundesstaat New York eine "Kirche Jesu Christi", deren Name 1838 noch den Zusatz "der Heiligen der Letzten Tage" erhielt. Die neue Gemeinschaft gewann bald zahlreiche Anhänger und breitete sich weiter nach Westen aus: Ohio, Missouri und Illinois waren die wichtigsten Etappen. Aufgrund der vielen "neuen Offenbarungen" ihres "Propheten" bildeten sich im Laufe der Zeit unter den "Heiligen" immer fremdartigere Lehren und Praktiken heraus, so daß diese Gemeinschaft von der traditionell-christlich geprägten Umwelt bald nicht mehr akzeptiert werden konnte. So kam es zu ständigen Auseinandersetzungen mit Nicht-Mormonen, aber auch mit staatlichen Behörden.
Nach dem gewaltsamen Tod des Religionsgründers zog die Mehrheit der "Heiligen" 1845/46 unter Führung Brigham Youngs in einem großen Zug nach Westen und erreichte im Sommer 1847 das Große Salzseetal in den Rocky Mountains. Hier entstand ihr Zentrum Salt Lake City, später Hauptstadt des US-Staates Utah. Aus einer Salzwüste ist inzwischen eine blühende Kulturlandschaft geworden.
Durch eine rührige Mission breitete sich der Mormonismus über die ganze Erde aus. Seit 1852 gibt es Mormonenmissionare und Mormonengemeinden auch in Deutschland. Heute bekennen sich über 11 Millionen Menschen, davon 34.582 in Deutschland, 3995 in Österreich und 6844 in der Schweiz zu dieser neuen Religion. Die größten Zuwachsraten gibt es heute in Lateinamerika und Ostasien.

Lehre
Die Mormonen verstehen sich als die "einzig wahre christliche Kirche auf Erden". Sie betonen die Notwendigkeit "neuer Offenbarungen" durch heute lebende "Propheten". Die in dem Buch "Lehre und Bündnisse" gesammelten "Offenbarungen" des Joseph Smith gelten als "heilige Schriften" neben der Bibel. Zu den wichtigsten Lehren gehören die Überzeugungen,
- daß Gott früher ein Mann war und
- daß auch die Menschen (nur Mormonen) einst ebenso zu Göttern werden können ("Evangelium vom immerwährenden Fortschritt"), und
- daß es Erlösung nur durch das "mormonische Priestertum" und die Tempelrituale gebe.
Daneben propagiert der Mormonismus Amerika als "Kontinent des Heils", als Mittelpunkt der göttlichen Heilsgeschichte:
Das Paradies Adam und Evas lag im Bundessstaat Missouri; Christus erschien nach seiner Auferstehung auf dem amerikanischen Kontinent und wird dort auch nach seiner Wiederkunft im Endzeit-Tempel von Independence/Missouri residieren, usw.

Praxis
Kernstück mormonischer Praktiken bilden die geheimen Tempelrituale:
a) stellvertretende "Taufe für Tote";
b) das "Endowment" (Ausstattung). Hier bekommen die Anwesenden geheime Belehrungen sowie von den Freimaurern übernommene Handgriffe, Paßworte und Zeichen, mit deren Hilfe sie nach der Auferstehung in das "Himmlische Königreich" gelangen können;
c) "Siegelung (Eheschließung) für Zeit und Ewigkeit": Verheiratete bleiben durch diese Siegelung auch nach dem Tode als Ehepaar verbunden;
d) "Zweite Salbung": ranghohe Amtsträger ("Propheten" und "Apostel") werden bereits im irdischen Leben zu "Göttern" gesalbt.

Stellungnahme aus christlicher Sicht
Der Mormonismus kann aufgrund der zahlreichen, überwiegend durch »neue Offenbarungen« entstandenen und dem biblischen Zeugnis schroff entgegenstehenden Sonderlehren sowie der okkulten Tempelrituale nicht dem weiten ökumenischen Spektrum christlicher Kirchen, Freikirchen und Gemeinschaften zugerechnet werden.
Der Mormonismus ist vielmehr als eine amerikanische, eigenständige synkretistische Neu-Religion zu bewerten. Die Mormonentaufe wird darum von den meisten christlichen Kirchen nicht als christliche Taufe anerkannt.
Fast alle aus dem biblisch-christlichen Kontext übernommenen Begriffe (z.B. Gott, Christus, Evangelium, Schöpfung, Auferstehung, Taufe, Sünde, Heil, usw.) sind in ihren Inhalten völlig verändert und "mormonisiert" worden. Der Übertritt zum Mormonentum stellt nicht nur einen Glaubenswechsel dar, sondern bedeutet eine völlige Abkehr von der biblischen Tradition und der christlich-ökumenischen Kirchengemeinschaft, denn der Mormonismus repräsentiert eine ganz andere, fremdartige Welt. Die Folge ist u.a. auch eine starke Belastung der bisherigen gesellschaftlichen, vor allem aber familiären Bezüge. Die extremen Glaubensvorstellungen der Mormonen und die starke zeitliche Beanspruchung des einzelnen Mitglieds in der Mormonengemeinschaft stellen in "gemischten" Familien in der Regel eine ständige Zerreißprobe dar.

Literatur und Internet
Rüdiger Hauth: Kleiner Sektenkatechismus, Wuppertal: 1999 (6), 35ff
ders.:
Die Mormonen. Geheimreligion oder christliche Kirche?, Freiburg: 1995
Reller u.a.: Handbuch religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen, 2000 (5)
http://www.mormonen.de : sehr gut gemachte Webseite von Gunar Werner mit übersichtlicher Darstellung und zahlreichen Links zu weiteren Webseiten http://www.lds.org/ : offizielle Mormonenwebseite auf englisch


Seite 45 = letzte Seite
n_oben
Anfang

n_links Start-Seite 1