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STANDPUNKT

BERLINER DIALOG 15, 4-1998 - Epiphanias

Das Wortklären erklärt
Überlegungen zu einer scientologischen Manipulationstechnik
von Charlie

Wörter zu verändern ist bekanntermaßen eine der Hauptmethoden der scientologischen Hirnwäsche. Wörter werden umdefiniert, umgedeutet und mit neuen Wichtigkeiten versehen. Bestimmte Begriffe und Vorstellungen werden auf Wörter projiziert die, wenn lange genug praktiziert, in den Grundschatz der Begriffswelt eines Menschen eingehen.

Ältere Definitionen der Wörter werden verdrängt, manchmal fast vergessen, doch auf jeden Fall werden sie in ihrer Wichtigkeit so weit zurückgestuft, daß es einer "infizierten" Person gar nicht mehr einfällt nach einer anderen, früheren Definition zu suchen. Es gilt die Scientologydefinition.
Aussteiger haben mit genau diesem Problem zu kämpfen und oftmals werden solch umdefinierte Wörter einfach verdrängt und nicht mehr verwendet.
Welcher Ex-Scientologe hat nicht schon in einem Computerbuch die Abkürzung PC gelesen und denn auch sogleich an einen PreClear und nicht an einen Personal Computer gedacht?
Viele dieser umdefinierten Wörter oder Abkürzungen begegnen einem Ex-Scientologen immer wieder und Assoziationen mit scientologischen Begriffen sind da unvermeidlich. Wie soll man davon loskommen?
Aufgrund meiner Beschäftigung mit Computern, Betriebssystemen, Netzwerk und Internet ist mir da einiges aufgefallen:
Wer versucht, diese Wörter zu vergessen, wird Probleme damit haben, so wie ich.
Wer diese Wörter für sich selber immer wieder in einem anderen Zusammenhang und mit anderer Bedeutung benutzt, kann so die unfreiwillige Assoziation unterbinden.
Wie oft hab ich am Computer mit "clear" meinen Bildschirm gesäubert. Schön war die Erkenntnis, als ich eines Tages "clear" eingab und nicht an den scientologischen Clear denken mußte.
Wer hätte auch gedacht, daß es in einem Netzwerk Auditoren, Statistiken und Prozesse usw. gibt?
Wer hätte gedacht, daß es in technischen Disziplinen viel mehr Abkürzungen und Wortverdrehungen gibt als in Scientology. Nur mit dem Unterschied, daß diese primär nicht dazu dienen einem Menschen ein neues Weltbild aufzusetzen.

Ich lese viel und lerne.
Eines ist mir dabei klar geworden: Wenn ich die Wortklärungsmethode der Scientology konsequent angewendet hätte, wäre ich immer noch bei meinem ersten Buch über Linux. Einfach aber wahr.
Genau wie in der Musik gibt es da, so glaube ich, eine Lernmethode, die bei großen Datenmengen viel sinnvoller ist. Ich möchte dies den "Induktiven Lernvorgang" nennen. Eine Person beschäftigt sich mit einer Materie, einer neuen Terminologie und fremden Sachverhalten. Würde diese Person bei jedem nichtverstandenem Wort das Wörterbuch zükken, würde sie in endlos langen Wortschlaufen hängenbleiben. Ein fast aussichtsloses Unterfangen.
Viel besser ist es, sich der Materie auf eine natürliche Art anzunähern. Ähnlich dem Auswanderer, der ein neues Land zum Besiedeln gefunden hat, verläßt man sich auf den ersten Eindruck. Grünes Land, weite Wiesen usw. Erst später wird dieses Land genau erkundet und der Neusiedler lernt, wo die dicksten Fische schwimmen oder wo das beste Holz zu finden ist und welche Tiere im Wald leben usw.
So können getrost auch Wörter überlesen werden, die nicht verstanden werden, denn auch der Mensch kann mit Variablen umgehen. Diese für den Moment nicht oder unzureichend verstandenen Wörter (Variablen) werden gesetzt (initialisiert ohne definitiven Wert) und es wird ihnen "automatisch" eine Bedeutung zugewiesen. Ob es nun die richtige oder die falsche Bedeutung ist spielt vorerst keine Rolle.
Allein schon durch die Beschäftigung mit der Materie (Theorie, Praxis) verschieben sich die provisorischen Bedeutungen dieser Variablen in Richtung ihrer wirklichen Definition, die aber immer noch geringfügig von den Definitionen anderer Menschen, die sich mit diesem Bereich befassen, unterscheiden.
Induktiv wird der Lernende die Bedeutung und den Gebrauch dieser Wörter in sich aufnehmen und damit zu arbeiten beginnen. Ähnlich wie an einem spannungslosem Draht, wenn man ihn in ein Magnetfeld hält, selbst Spannung erzeugt wird.
Die dem Menschen innewohnende Fähigkeiten zu Ahnungen und neuen Ideen, zu Spontanität, Kombinationsvermögen usw. kommen so zum Zug und sollten einen Menschen befähigen, zu eigenem Urteil und eigenen Ansichten über eine Materie zu gelangen.
Was meinen Sie dazu?
Charlies kritische Scientology- und Dianetikseiten: http://www.charlies-playhouse.ch


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