Fr. Fröbel und die Kindergärten.

E. Lecerf
in Nr. 24 des "Dresdner Journals", Dresden 1849
(In originaler Schreibweise zitiert)

Unter den Bestrebungen der Gegenwart für eine bessere Zukunft nehmen die sogenannten Kindergärten eine der ersten Stellen ein. In ihnen, die dem Weltmenschen und der Pedanten ein Aergerniß und eine Thorheit scheinen, erkennt der denkende Menschenfreund den edlen Keim, aus dem sich die reine Menschlichkeit einer neuen Zeit entwickeln kann, das einzige Verjüngungsmittel vielleicht für unsern abgelebten und verdorrten Erdtheil.

Seit Pestalozzi hat man erkannt, daß die Erziehung der Jugend anders angegriffen werden muß, als es bis dahin der Fall war, daß man die verknöchterten Formen wegwerfen und das Wesen selbst suchen, dasß man wieder auf die Natur zurückgehen und auf sie allein eine neue Erziehungs- und Lehrmethode bauen und gründen muß. Was Pestalozzi, der große Menschenfreund, wollte und erstrebte, das scheiterte an der noch unreifen Zeit, an seinen gringen Mitteln und vielleicht auch an seiner unpractischen Eigenthümlichkeit.

Seine Worte ware noch die Stimme eines Predigers in der Wüste; er war nur der Morgenstern, der einen neuen Tag verkündigte. Nicht dem Volke, wie er wollte, sondern nur einigen wenigen Erziehungsanstalten für wohlhabende Kinder kamen seine Lehren zu Gute. Dennoch gaben sie den Anklang, brachen sie die Bahn zu den Bestrebungen der Gegenwart.

Ein Menschenfreund, ein Kinderfreund wie er, Fr. Fröbel faßte die Idee zu Bildungsanstalten für die früheste Kindheit des Menschenlebens und bildete diese Idee zu einem System aus, dem er sein Leben und sein ganzes Streben widmete. Er nannte diese Anstalten Kindergärten, weil er darin die Kinder wie Blumen gepflegt und bewahrt sehen wollte, daß sie nicht blos irdisch schön erblühen, sondern auch den Samen des Göttlichen in ihrer Natur entwickeln sollten.

Da er jedoch diese neuen Blüthen der Menschheit nicht nur in seinem eignen Garten erziehen, da er ihr veredeltes Geschlecht gern über die ganze Welt verpflanzen wollte, so mußte es ihm von der höchsten Wichtigkeit, - ja, es mußte ihm Hauptsache sein, Pfleger und Pflegerinnen der ersten Kinheit zu bilden, die in seinem Sinne das Werk ausbreiteten und fortführten.

Hier galt es vor Allem, in den Müttern und Leiterinnen der ersten Kindheit das Gefühl und die Erkenntniß von dem Adel der Menschennatur und von der Würde ihres Berufes zu wecken, sie zu Dem zu erziehen und zu bilden, wozu die Natur sie bestimmte, und so entstanden, mit den Kindergärten verbunden wiederum Lehranstalten für Mädchen und Frauen, die sich theils zu sogenannten Kindergärtnerinnen bestimmten, theils blos in ihrer stillen Häuslichkeit unter den Ihren das ihnen von der Natur übergebene Amt ausüben wollten.

Wer aus Neugier oder Interesse daran in einen solchen Kindergarten tritt und einen Blick auf die unter der Leitung ihrer Pflegerinnen fröhlich singenden und spielenden Kinder wirft, wird sich darüber freuen, aber er ahnet nicht, welcher tiefe Sinn in Allem, was in diesen Anstalten vorgenommen wird, verborgen liegt, wie Alles in ihnen auf die innerste Menschennatur gebaut und begründet ist, Alles in engem innern Zusammenhange steht, wie Spiel und Scherz gleichsam nur die fernen Strahlenblicke einer unsichtbaren Sonne, der leise Wellenschlag eines unendlichen Meeres sind, mit einem Worte, wie alle Aeußerlichkeiten die Endpunkte eines tiefbegründeten Systems sind, denn dazu, zu einer Wissenschaft hat der edle Erfinder dieser neuen Lehre sie, wenn auch vielleicht nicht schriftlich, doch thätlich ausgebildet.

Die Spiele und Beschäftigungen, die den Vorzug haben, die Kinder innerhalb der Grenzen ihrer kindlichen Natur zu erhalten, sind alle nach einem weise durchdachten Plan erfunden und geordnet. Jedes derselben fußt auf tiefer Erkenntniß der Kindesnatur und hat den liebevollen Zweck, irgend eine Richtung derselben auszubilden.

So werden Geist und Sinne der Kinder naturgemäß entwickelt, es werden Kunstfertigkeiten schon in ihnen geweckt und für Wissenschaft und Leben vorbereitend gepflegt, z. B. im Zeichnen für Mathematik und practische Berufe. Die Figurren, die er die Kinder aus verschiedenen Flächen und Körpern, z. B. aus Dreiecken mehrfacher Art, aus Stäbchen u.s.w. in unendlicher Mannichfaltigkeit zusammensetzen läßt, hat er selbst mit den Namen: Schönheitsformen, Erkenntnißformen und Lebensformen bezeichnet und so die verschiedenen Zwecke angedeutet, die er damit verbindet.

Unmöglich ist es für den Laien, diesen Gegenstand auch nur von fern seiner würdig zu besprechen. Wem es Ernst ist mit seiner Liebe für die Menschheit, mit seinen Wünschen für ihr Wohl, der komme selbst und sehe, der überzeuge sich durch sorgsame Beobachtung und Forschung von der hohen Wichtigkeit dieser neuen Erziehungsmethode. In Dresden findet sich hierzu mehrfache Gelegenheit; denn einerseits hat schon vor längerer Zeit Herr A. Frankenberg hier eine solche Bildungsanstalt errichtet, deren Gedeihen und Erfolge jetzt ihrem edlen für seinen hohen Zweck begeisterten Begründer die Opfer zu vergüten versprechen, mit denen er sie vielfachen Schwierigkeiten abkämpfte.

Andererseits ist es jetzt, wo Fr. Fröbel in Dresden seit einiger Zeit Vorträge hält, vergönnt, ihn selbst, den die Liebe zur Kinderwelt mit unvergänglicher Jugend ausgestattet hat, in seinem schönen Berufe, von seinen hohen Ideen durchglüht, in mannichfaltiger Wirksamkeit walten zu sehen.

In ihre höchste Bedeutung, in ihre volle Wirksamkeit werden seine Ideen freilich erst dann treten, wenn sie im Laufe der Zeit auf Volksbildung angewendet werden, wenn man Anstalten gründen wird, wo die Kinder aus dem Volke auf so naturgemäße Art entwickelt, in mancherlei Fächern der Kunst und Industrie geübt und so vielleicht schon früher fähig werden: zu erwerben und die Kosten einer weitern Ausbildung selbst zu übertragen, und wenn man auch in den Mädchen und Frauen des geringern und dienenden Standes das Gefühl ihres Menschenadels und die Geschicklichkeit zu ihrem weiblichen Beruf ausbilden wird.

Möchten die Männer und Frauen, denen durch ihre Stellung die Macht zu Theil geworden ist, für das Wohl der Menschheit zu wirken, die ein Wort sprechen dürfen bei den Berathungen über Erziehung, diesem hochwichtigen Gegenstand ihre Aufmerksamkeit schenken! Er hat schon hier und dort Wurzeln geschlagen, er ist lebenskräftig genug, um sich emporzuarbeiten durch sich selbst, aber schneller, glücklicher wird er erblühen im Sonnenschein, als im Kampf mit Sturm, Schnee und Frösten.

Und er selbst, der würdige Begründer dieser Anstalten, möchte in das heitere Abendroth seines so schön erfüllten Lebens noch das Morgenroth eines neuerblühenden glücklichern Menschengeschlechts herüberstrahlen, mächte der Baum, den er gepflanzt hat und dessen edle Früchte die Zukunft pflücken wird, ihn noch durch reiche Blüthe erfreuen und so der schönste Lohn ihm werden, der das Herz eines Menschenfreundes erfreuen kann!