Sri Chinmoy aus der Sicht eines deutschen Buddhisten
Ehemals Auschnitt aus einen Newsgroup-Posting.
Neu überarbeitet im November 2000
Es folgt meine persönliche Bewertung der Sri
Chinmoy-Bewegung in Zusammenhang mit meinen Erfahrungen und Kenntnissen von
Buddhismus und Hinduismus. Die Bewertung ist nach einer Auswertung der Positionen von Thomas
Gandow (das Exzerpt in RELIGIO und das Buch über Chinmoy, daß mir Gandow
geschickt hat) und der Argumentationen einiger SchülerInnen Chinmoys entstanden.
Außerdem spielen meine Kenntnisse über den Buddhismus (speziell den tibetischen Buddhismus/Diamantweg) und Hinduismus eine Rolle. Eindrücke und Erfahrungen aus
Chinmoy-Meditationen und Buddhistischen Meditationen haben meine Bewertung
beeinflusst.
Sri Chinmoy
Eine hinduistische Guru-Bewegung, die sich von anderen Guru-Bewegungen im
wesentlichen durch die Konzentration der Missionsarbeit auf den Westen
unterscheidet.
Gemein mit anderen hinduistischen Bewegungen hat sie folgendes:
- die Ausrichtung und Konzentration auf einen Meister/Guru (Meister-
Meditationen, Gehorsamkeitsanspruch, die Erlangung der Erlösung durch den
Meister als Kanal zum göttlichen "Supreme")
- die eher transzendentale Meditation, die auf schnelle Ergebnisse,
Grenzerfahrungen und Gotteserfahrungen aus ist
Durchaus positiv zu sehen ist das Ziel des Weltfriedens, das auch ernst
gemeint zu sein scheint. Auch in der Gemeinschaft spielt Frieden offensichtlich eine
zentrale Rolle.
Die Ablehnung der Guru-Bewegungen durch die christliche Kirche, wie von
Thomas Gandow vertreten, ist im allgemeinen aus christlicher Sicht
verständlich. Die Ziele der Bewegungen widersprechen dem westlich-
verstandesmäßigen Denken und vor allem der Ausrichtung auf den einen Gott.
Die Position der Kirche stellt sozusagen den Gegenpol zur Auffassung der
Chinmoy Anhänger dar -- die "Wahrheit" liegt meiner Meinung nach irgendwo
dazwischen.
Die Kritikpunkte, die ich persönlich an der Chinmoy-Bewegung habe (wobei
einige davon normale hinduistische Sichtweisen sind):
- die Ausrichtung auf einen Guru als einzigem Weg zu etwas göttlichem führt zu einem Abhängigkeitsverhältnis zu dieser Person. Das ist nicht die Vorgehensweise eines Erleuchteten, sondern von einem Guru mit Ego.
- die subtile Missionsarbeit, die die selbstständige
Entscheidungsfähigkeit, ob verstandes- oder gefühlsgeleitet, untergräbt, ist ein Ansatz von Gehirnwäsche.
- die ständige Kontrolle seiner Schüler durch Chinmoy mit Hilfe "okkulter
Schau" kann leicht zum Kontrollmittel durch Angst werden, wobei die Kontrolle sich nicht auf die Meditationsdisziplin beschränken muß.
- der Rückzug vom allgemeinen Leben in die religiöse Gemeinschaft, am
besten für immer, kann zu Unselbständigkeit und Realitätsferne führen.
- die Trennung der Mitglieder der Bewegung von ihrer Familie führt zu Leid
Insgesamt frage ich mich, wem diese Bewegung wirklich dauerhaft einen Nutzen bringt.
Es mag eine kurzfristig angenehme Lebensform sein, aber auf lange Sicht ist ein kritischer Geist und eine realitätsnaher aber in sich ruhender Geisteszustand für alle Beteiligten sinnvoller.
Buddhismus
Meine Vorstellungen vom Buddhismus sind dagegen (verkürzt und auf wenige
Schwerpunkte beschränkt):
- Meditation als Weg zur Entfaltung des vollen menschlichen Potentials
zum Nutzen aller, was durchaus ein langer Weg sein kann.
- vom Grundsatz her keine Ausrichtung auf personifizierte Götter, zumindest sind Götterzustände kein erstrebenswertes Ziel, da sie eher egobezogen sind und kein letzendliches Glück bedeuten
- Der Lama (im tibetischen Buddhismus) ist ein spiritueller Lehrer, auf den man sich einläßt, der versucht einem den eigenen Weg zu zeigen (den man dann selbst gehen muß), aber der keinen
Absolutheitsanspruch hat (man kann, wenn man damit zurecht kommt, viele
Lehrer haben).
- Der Buddha sagte: "Glaubt mir kein Wort, bloß weil Euch das ein Buddha sagt, sondern überprüft selbst, ob es mit Eurer eigenen Erfahrung übereinstimmt"
- Die letztendliche Zuflucht im Buddhismus ist kein Lehrer und auch kein Buddha - sondern der eigene Geist, das eigene Potential. Der Buddha wollte, daß man wird wie er, nicht, daß man ihm folgt.
- der Buddhismus ermöglicht es dem westlichen Menschen, mitten im Leben zu stehen, und den normalen Alltag als Teil seines Weges zu betrachten. Dabei entwickelt man menschliche Reife und wird sowohl nützlicher für andere Menschen als auch selbst glücklicher.