Kaizen - Neuauflage des EKC oder Scientology für Fortgeschrittene?:

Gerlach-Report 49/96

"Leeres Portemonnaie statt erfülltes Sexleben"

lautet die Überschrift in der Zürcher Sonntags-Zeitunq" vom 17.11.1996 eines Berichts von Kollegen URS ELLENBERGER zur Kaizenbewegung. Genau gehe es um die am 2.11.1993 im Handelsregister von Vaduz Liechtenstein eingetragene KAIZEN ACADEMY AKTIENGESELLSCHAFT und die am 24.05.1996 dort eingetragene KAIZEN DEVELOPMENT AKTIENGESELLSCHAFT (beide Vaduz / Liechtenstein). Der im Handelsregister eingetragene Gesellschaftszweck, die Vermittlung von Seminaren und Dienstleistungen usw. usw., scheint kaum der wirkliche Zweck dieser Gesellschaft zu sein. Dazu später mehr. Zuächst zu den Hintermännern, die bei in Liechtenstein ansässigen Firmen traditionell nicht besonders gut auszumachen sind.

Eingetragen als Verwaltungsrat sind zwei uns bekannte Vaduzer Rechtsanwälte als Treuhänder, die beide jedoch inzwischen zurückgetreten sind. Die wahren Hintermänner sind nach unseren Recherchen (und auch nach denen von Ellenberger) der deutsche Arzt THOMAS K. GRETZ und der Österreicher mit langjähriger Vergangenheit am deutschen Kapitalmarkt ALAIN PORCEDDA. Ob es hinter diesen beiden Figuren weitere Hintermänner gibt, ist bislang nicht bekannt, wird jedoch von uns vermutet. Alain Porcedda kommt in unserem Archiv als Geschäftsführer der INTERTIME HOLIDAY VERMITTLUNGSGESELLSCHAFT FÜR INTERNATIONALEN FERIENBESITZ mbH (Weinheim) vor. Das war in 1987 und damals wohnte er in Eutingen bei Karlsruhe. Wenn es sich bei der Kaizen tatsächlich, so wie wir vermuten, um so etwas ähnliches wie den EUROPEAN KINGS CLUB handelt, dann ist das alles sehr geschickt aufgezogen.

Porcedda wurde gebraucht, weil massiv Geld eingesammelt wird, zum Beispiel über die Ausgabe von sog. Partizipationsscheinen. Die Partizipationsscheine, wovon zunächst 200 ausgegeben wurden, kosteten 6.000 sFr. das Stück, berechtigen zum Bezug von Dividende und berechtigen außerdem zur Teilnahme an einer Reihe von Kaizen-Seminaren, so wird nämlich gelegentlich eine fernöstliche Managementmethode bezeichnet, außerdem gibt es eine nach unserer Information höchst seriöse japanische Unternehmensberatung namens Kaizen-Institute, die übrigens gegen die Vaduzer Firma klagen will. Die Beschränkung auf 200 Partizipationsscheine schließt den Vorwurf des Schneeballsystems zunächst aus.

Aber schon sollen weitere Anlageformen angeboten werden, wovon die Kaizen-Chefs ihren Teil abbekommen sollen. In der Schweiz argwöhnt man, daß es sich bei diesem falschen" KAIZEN um eine gelungene Mischung aus Sektierertum und Abzockerei handelt. Der Vergleich mit dem European Kings Club ergibt sich auch aus dem Aufbau der Parallelen zu diesem bisher größten Anlegerschadensfall der Bundesrepublik. Da gibt es zum Beispiel sog. "Founder", die, wie oben beschrieben, 6.000 Franken für den Einstieg bezahlen. "Sales-Manager" zahlen 5.000 Franken und "Consulter" 2.000 Franken. Die Kursteilnehmer werden anscheinend massiv zu weiteren Investitionen gedrängt. Ellenberger berichtet zum Beispiel von einem gelernten Matrosen namens ADRIAN LUDWIG, der bestätigt haben soll, daß verschiedene Kaizen-Leute über ihn Anlagen tätigen würden.

Das vordergründige Geschäftsprinzip ist auf den ersten Blick einigermaßen plausibel aber durch den in Geld nicht meßbaren Ertrag in Form von Seminaren natürlich letztendlich nicht meßbar. Das wird es natürlich sehr erschweren, die schwerwiegenden Vorwürfe, die gegen die Vaduzer Kaizen erhoben werden, zu beweisen. Staub aufgewirbelt hat jedoch schon einmal der kritische Bericht in der SAT 1-Sendung "Akte 47/96". Das Haupttätigkeitsgebiet von Kaizen befindet sich nach unseren Erkenntnissen in Berlin und dessen Umland.

Warum die Schweizer Medien so intensiv recherchieren, liegt daran, daß man dort auf Sekten und sektenähnliche Gruppierungen, die sich in der Schweiz angesiedelt haben oder von dort operieren, nicht gut zu sprechen ist, seit ein Schweizer Sektenskandal den anderen ablöst - siehe z.B. European Kings Club. Fazit: Die Hoffnung auf ein "erfülltes Sexleben", das die Kaizen-Leute u.a. versprachen, kann, so unsere Vermutung, den Hoffenden ganz schön teuer zu stehen kommen. Falls die Vorwürfe der Berliner Sektenbeauftragten ANNE RÜHLE zutreffen, wonach die Mitgliedschaft in der Sekte schwere psychische und finanzielle Folgen haben kann, sind auch, ähnlich wie bei SCIENTOLOGY CHURCH, Unternehmen und damit Arbeitsplätze betroffen, und das müßte dann spätestens das Signal für staatsanwaltschaftliche Ermittlungen sein.