Sie versprechen Mammon, veranstalten ein esoterisches Brimborium
und kassieren schnöde ab:

Die Organisation Kaizen will auch in Thüringen Fuß fassen

Thüringer Allgemeine Zeitung vom 12.04.97

Mirko Krüger
Zeig mir deine Titten! Mach endlich die Bluse auf! Los!" Claudia B. zittert am ganzen Körper. Seit mehr als einer Stunde prasseln diese Sätze immer wieder auf sie nieder. "Die Brust. Du mußt sie mir zeigen!" Nein, es ist kein Vergewaltiger, der die 27jährige bedrängt. Jedenfalls keiner der sexuellen Art. Er meine es, so betont er immer wieder, doch nur gut mit ihr. "Zögere nicht länger. Die rote Linie, du kannst sie überschreiten. Jetzt! Hier! Zeig mir, wer du bist!" Alain Porcedda (43) läßt an diesem Abend nicht locker. In einem kleinen Hotel nahe der Autobahnabfahrt Jena-Göschwitz. "Dein Busen! Zeig, wie stark du bist! Zeig, daß es dir nichts ausmacht!

Beweise dir selbst, daß du kein Versager mehr sein willst!" Und wirklich, nach einem neuerlichen Wortschwall demonstriert Claudia B. tatsächlich ihre "Stärke". Sie beginnt an Ihrer Bluse zu nesteln... Heute, vier Monate später, ist sich die Jenenserin sicher: "Porcedda hat mich an diesem Abend systematisch fertiggemacht. Er wollte mir regelrecht einreden, ich sei verklemmt und leide an Minderwertigkeitskomplexen. Das Entblößen meines Busens sollte mir helfen, diese zu überwinden. Aber eigentlich ging es ihm um etwas ganz anderes. Er wollte mich innerlich brechen." Psychodruck - er scheint in der Tat zum Handwerkszeug von Alain Porcedda und Co. zu gehören. Seit dem letzten Spätherbst häufen sich bundesweit Meldungen, wonach kritische Mitglieder und Aussteiger der sogenannten "Kaizen Academy" massiv eingeschüchtert worden sind. Allen voran die Schilderungen von Marita K. aus Waltersdorf bei Berlin.

Die 42jährige wurde nach eigenen Worten während eines Vollmondrituals als Hexe gebrandmarkt. Danach habe sie die unmißverständliche Aufforderung erhalten, die Welt von sich selbst zu befreien. "Wenn nicht", so notierte sie in Ihrem Tagebuch, "würden es andere tun." Kaizen Academy - dahinter verbirgt sich keineswegs, was der Name im ersten Moment suggeriert, nämlich ein Unternehmen, das sich der Verbreitung von japanischen Managementmethoden widmet, sondern vielmehr ein schwer zu durchschauendes Firmengeflecht mit Sitz in der Schweiz und Liechtenstein.

Nach TA vorliegenden Schriftstücken operiert es unter solch klangvollen Namen wie Leadership Academy AG, Kosmo-Tech AG sowie diversen Kaizen-Bezeichnungen. Gerade letztere haben erst jüngst zu Rechtsstreitigkeiten geführt.

Das alteingesessene, seriöse Kaizen-Institut aus Frankfurt am Main sah wegen der Verwechslungsgefahr seinen guten Ruf gefährdet. Auch N. N. (Name ist der Redaktion bekannt) aus Jena ist "Kaizen" auf den Leim gegangen. Er war von einem Geschäftspartner zu einer Versammlung von Porcedda-Jüngern nach Berlin eingeladen worden. Nur einen Tag später trat er der "Academy" bei. Gegen Entgelt, versteht sich. Satte 7500 Mark. Als Gegenleistung erhielt der 28jährige einen sogenannten Partizipationsschein, eine Art Aktie. Daß dieser Wisch nur einen Nominalwert von 100 Schweizer Franken (etwa 118 DM) verkörperte, machte N. N. zunächst nicht stutzig. Ganz im Gegenteil. Schließlich hatten am Vorabend die beiden "Kaizen"-Gurus Alain Porcedda und Thomas K. Gretz vor Dutzenden von Zuhörern versichert, daß dieser Schein einen wahren Geldregen verheiße. Jährlich bis zu 50.000 Mark Gewinn habe man ihm in Aussicht gestellt, erzählt er.

Um dieser Dividende die rechte Glaubwürdigkeit zu verleihen, ziehen die "Kaizen"-Führer alle Register. In diesem Jahr, so Gretz, strebe man einen Umsatz von 500 Millionen Schweizer Franken (590 Mio. DM) an. Diese Summe würde man durch internationalen Devisenhandel ebenso erzielen wie durch den Verkauf von Seminaren. Aus einem "Thüringer Allgemeine" vorliegenden Dokument geht hervor, daß man weitere Anleger (sog. Founder) auch damit ködern wolle, daß man den "Gang an die Weltbörse" im ersten Halbjahr 1997 in Aussicht stellt. Außerdem "werden wir auch einen eigenen Satellitensender betreiben." Wahrlich, eine steile Karriere für einen Alain Porcedda: Für einen Geschäftemacher also, der bei Verbraucherschützern, Staatsanwälten wie kritischen Journalisten gleichermaßen bekannt ist, etwa als Verkäufer von Wohnrechten in Ferienanlagen aber auch als Mitinitiator eines Kettenspiels.

Verbirgt sich hinter Kaizen ein Kettenspiel? Einige der Geschäftspraktiken lassen diese Vermutung durchaus zu. So können Anteilseigner bereits Kasse machen, wenn sie neue Mitglieder werben. Für sechs neue Founder gibt's 7000 Mark. "Solche Auszahlungen werden vor -zig Zuschauern wie ein Ritual zelebriert", erinnert sich N. N. "Jeder einzelne Tausender wird auf die Hand gezählt. Und die Massen im Saal toben vor Begeisterung." Das ist freilich nicht der einzige Schachzug von Gretz und Porcedda im Buhlen um leichtgläubige Geldgeber. Sie mühen sich eifrig, den Vorwürfen, man betreibe ein Schneeballsystem, den Wind aus den Segeln zu nehmen - indem sie versichern, daß die Zahl der Founder von vornherein auf 200 beschränkt bliebe. Jedenfalls werde man garantiert nicht mehr deutsche Partizipationsscheine ausgeben.

Damit die Geldmaschine dennoch am Laufen bleibt, bedient sich das Firmengeflecht einer simplen Masche: Man unterhält ausländische Tochterunternehmen. Ob diese tatsächlich mehr als nur einen Briefkasten betreiben darf völlig dahingestellt bleiben. Fakt ist, die Töchter dürfen je Land 200 weitere Anteilscheine offerieren - natürlich auch an Interessenten in Germanien. Um die Founder - aufmüpfige wie noch getreue - bei der Stange zu halten, halten die Chefs in kurzen Abständen diverse Psychoseminare ab. Während dieser sollen die Teilnehmer möglichst alles von sich erzählen und liefern sich damit, wie Claudia B., für spätere Einzelgespräche wahllos aus. Während solcher Schulungen läuft insbesondere Thomas K. Gretz zu großer Form auf. Eine seiner liebsten Nummern: Er fordert die Seminaristen auf, einen funkelnagelneuen 5-Mark-Schein anzupusten.

Danach sollen sie ihn falten und fortan ständig in der Unterhose mit sich herumtragen. Auf diese Weise, so erinnert sich Aussteiger Falk G. aus dem thüringischen Holzlandkreis, sollten sich die eigene sexuelle Power und die Macht des Geldes zu einer starken Kraft vereinigen. Warum die Kaizen-Founder einer solchen Potenz alsbald bedürfen würden, lassen weder Porcedda noch Gretz im Unklaren. Immer wieder, so berichten Ex-Kaizen-Anhänger, hätten die beiden einen baldigen Zusammenbruch der Weltwirtschaft prognostiziert. Spätestens im Jahre 2002 wäre es soweit, und nur Kaizen könne dem kleinen Mann das wirtschaftliche Überleben sichern - vielleicht sogar als Millionär.

Bis dahin, so die Empfehlung der beiden Führer, sollten die Founder möglichst nie mehr Zeitung lesen oder TV-Nachrichten sehen. "Deren negative Schlagzeilen, so hieß es, übertragen negative Energie", erinnert sich Aussteiger Falk G. der von Porcedda und Gretz herausgehauenen Parolen. Auch die Quelle ihrer Weltverbesserungsideologie ließen die "Academy"-Kassierer bei solchen Gelegenheiten gern durchblicken - das Buch "Geheimgesellschaften und ihre Macht im 20. Jahrhundert". Obwohl es seit letztem Sommer in der BRD wegen seiner antijüdischen, profaschistischen Hetze verboten ist, wurde das Machwerk weiterhin im Rahmen von "Kaizen"-Veranstaltungen zum Kauf angeboten. Aller Spiritualität und Psychomethoden zum Trotz dürfte es sich bei der "Kaizen Academy" dennoch nicht um eine Sekte handeln. Diese Ansicht vertritt jedenfalls ein ausgewiesener Experte: Winfried Müller aus Jena, Autor der Sektendatenbank "Religio". Er glaubt vielmehr "das die das ganze esoterische Brimborium nur abziehen, um so ihre Abzockerei geschickt verbrämen zu können.."


Name geändert