In einer eMail vom 05.05.97 03:26:49, schreibt NewsBote@aol.net:

Thema: Katholischer Radioprediger heizt in Polen politisches Klima an
Datum: 05.05.97 03:26:49
From: NewsBote@aol.net

Von Daniel Broessler, dpa

Warschau (dpa) - Die Toene der polnischen Nationalhymne sind gerade verklungen, da wendet sich der Sprecher von "Radio Maryja" mit eindringlicher Stimme an die Zuhoerer: "Das Vaterland darf man nicht verraten. Deshalb lasst es uns retten und lasst uns andere fuer seine Rettung gewinnen. Lasst uns den 25. Mai zu einem Sieg fuer Polen machen."

Obwohl es so klingen koennte - weder ein Krieg noch eine Naturkatastrophe wird am 25. Mai ueber Polen hereinbrechen. Die Polen sind an diesem Tag lediglich aufgerufen, in einer Volksabstimmung ueber eine neue Verfassung zu entscheiden.

Waehrend die polnische Bischofskonferenz einraeumt, jeder muesse nach seinem eigenen Gewissen abstimmen, beschwoert "Radio Maryja" seine Hoerer in einer nahezu hysterischen Kampagne, das neue Grundgesetz abzulehnen.

Weil im Verfassungsentwurf ein Abtreibungsverbot fehle, erlaube er praktisch Euthanasie, verkuenden die Radioprediger. Und die moegliche Uebertragung von Souveraenitaetsrechten an internationale Organisationen sei nichts anderes als die Aufgabe der polnischen Unabhaengigkeit.

Von den polnischen Intellektuellen wird der aggressive Sender des Redemptoristen-Paters Tadeusz Rydzyk zwar belaechelt, doch bei vielen einfachen Menschen kommt die Botschaft an.

"Die katholische Stimme in Deinem Haus" wird von vier bis fuenf Millionen Polen gehoert. Menschen, die von einer sich im Eiltempo veraenderten Umwelt verunsichert sind, suchen Halt bei der "Tuba Gottes", wie der Sender von der linken Zeitung "Trybuna" veraechtlich genannt wird.

"Radio Maryja" erklaert nicht nur die Bibel, sondern auch das aktuelle Zeitgeschehen - und zwar mit klarem Feindbild in Gestalt der regierenden Ex-Kommunisten und alles Fremden ueberhaupt. Eine katholische Praesidentschaftskandidatin, die Pater Rydzyk missfiel, diffamierte er 1995 als "Juedin und Freimaurerin".

Ein anderes Mal empfahl der christliche Sender, Abgeordneten, die fuer eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts gestimmt haben, die Koepfe kahl zu rasieren, wie zu Kriegszeiten polnischen Nazi- Kollaborateuern.

Mit all den starken Worten gibt Pater Rydzyk seinen Hoerern das Gefuehl, zu einer grossen Familie zu gehoeren, die sich gemeinsam gegen das "Boese" verteidigt. Aehnlich einem amerikanischen Fernsehprediger gelingt es ihm ohne Muehe, seine Schaefchen zu mobilisieren, sei es fuer Gottesdienste mit Gebeten fuer neue Sendefrequenzen oder sei es fuer Spenden zur Rettung der bankrotten Danziger Werft.

Hierfuer will "Radio Maryja" so viel Geld gesammelt haben, dass es angeblich 60 Prozent der Werft kaufen kann. Seinen Hoerern gibt Rydzyk regelmaessig die Moeglichkeit, selbst im Radioprogramm zu Wort zu kommen. Auf Sendung werden dann Aengste und nicht selten tiefsitzende fremdenfeindliche oder antisemitische Vorurteile artikuliert.

In den ueber fuenf Jahren seiner Existenz hat "Radio Maryja" immer mehr ein Eigenleben in der roemisch-katholischen Kirche Polens entwickelt. Aus ganz Polen kommen religioese Gruppen in Bussen zur modernen Sendezentrale nach Thorn, um mit Pater Rydzyk in der radio- eigenen Kapelle zu beten.

Der Geistliche mit den zwei Handys in der Kutte wird von seinen Anhaengern so sehr verehrt, dass Kritiker in der "Familie Radio Maryja" fast eine sektenaehnliche Bewegung sehen.

Einigen polnischen Bischoefen ist jedenfalls immer mehr daran gelegen, sich von dem Sender abzusetzen. Der Generalsekretaer des Episkopats, Bischof Tadeusz Pieronek, machte kuerzlich klar, dass er an "Radio Maryja" eigentlich nur die Gebete schaetzt.

"Die Redemptoristen-Pater koennen auf ihren Radiofrequenzen ihre Meinungen aeussern, aber das sind ihre persoenlichen Ansichten und koennen nicht als Ansichten des Episkopats oder der Kirche als Ganzes verstanden werden."

       (C)dpa
       050400 Mai 97