Verein zur Förderung Psychologischer Menschenkenntnis, VPM

Auszug aus MAJA 1/1995,1) S. 38 - 42
Der VPM wurde 1986 mit dem Ziel, die Ideen Friedrich Lieblings zu verwirklichen, gegründet. Seine Beschäftigung mit psychotherapeutischen Ideen und gesellschaftspolitischen Fragen führte dazu, daß sich in den frühen 60er Jahren ein kleiner Kreis Interessierter um ihn sammelte. In diesem Gesprächskreis wurden staats- und religionskritische Thesen diskutiert. Daraus ging eine Therapiegruppe hervor, die Liebling 1967 "Züricher Schule" nannte.

Lieblings Idee war, die Welt durch Vermittllung psychologischer Menschkenntnis zu verbessern und einen neuen Menschtyp zu formen. Einen Menschentyp, der die Fähigkeit besitzt, den psychischen Deformierungenm, denen wir alle von Geburt an durch Staat, Religion und Erziehung ausgesetzt sind, zu widerstehen. Dabei soll das eigentlich im Menschen innewohnende Gute mit Hilfe der Gemeinschaft der Therapierten gelebt werden.

Liebling glaubte, dieses Ziel durch intensive Therapie- und Beratungsarbeit mit jedermann erreichen zu können. Er hatte keine akademische Psychologieausbildung, er erwarb sein Wissen autodidaktisch.

1974 gründete Liebling die "Psychologische Lehr- und Beratungsstelle", deren Methode, Großgruppentherapien durchzuführen, in Fachkreisen stark umstritten war. Der Inhalt der Therapiegespräche und die Probleme einzelner wurden auf diesem Weg der ganzen Gruppe zugänglich. Es gab keine Trennung zwischen weltanschaulicher Lebensgemeinschaft und Therapie. Die Rückkehr in ein selbstbestimmtes Leben außerhalb der Gruppe war scheinbar nicht vorgesehen.

Nach dem Tod lieblings im Jahr 1982 gab es Richtungskämpfe innerhalb der Gruppe, die zugunsten seiner Utopien und gegen eine Öffnung der "Züricher Schule" für wissenschaftliche Weiterentwicklung und den Erwerb anerkannter Abschlüsse ausgingen. Daraufhin wurde 1986 in Zürich der VPM unter Leitung von Annemarie Buchholz-Kaiser gegründet, die später zur Zentralfigur aufstieg.

Mit der Machtübernahme durch Frau Buchholz-Kaiser begann eine grundlegende Änderung des Führungsstils. Kritisierte Liebling weder Religion nach Kapitalismus und entwickelte gesellschaftskritische und anarchistische Ideen, trat der VPM für die Erhaltung bürgerlicher Werte und Ornungen ein - eine Kehrtwendung also.

Der Verein will die psychologische Menschenkenntnis fördern, indem ausgesuchte psychologische Theorien, vor allem die Inidividualpsychologie A. Adlers, vermittelt werden. Auch Ergebnisse der Entwicklungspsychologie und Theorien der Neopsychologie spielen, neben den Erkenntnissen Lieblings, eine wichtige Rolle. Durch Gespräche unter Anleitung erfahrener Gruppenmitglieder sollen in der Kinheit erworbene falsche Gefühle und Angewohnheiten - sogenannte "Erziehungsdefizite" - aufgedeckt und behobem wprdem-

Der Entwicklung des Gemeinschaftsgefühls kommt ein hoher Stellenwert zu. Gemeinschaft, Gesprächserfahrung und die Vermittlung der richtigen Lebensweise bilden den Schwerpunkt der Zusammenkünfte des Vereins. Ebenso, wie zu Lieblings Zeiten erfolgt auch beim VPM die "Gesprächstherapie" vor breitem Publikum. Von nahezu jeder Sitzung existieren Aufzeichnungen.

VPM-Mitglieder dürfen nicht mit einer vertraulichen Behandlung ihrer Lebensgeschichte rechnen, die die "Psychologischen Leiter" sich nicht an die Schweigepflicht gebunden fühlen. Diese Erfahrung mußte eine Aussteigerin machen, die in einer Radiosendung interviewt wurde. Wenig später erreichte den Sender ein Schreiben von VPM, worin ausführlich über die Probleme der Frau und deren Psychopathologie berichtet wurde.2)

Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß zum Zweck der Diffamierung von Gegnern auch fiktive Daten zum Einsatz gelangen. Man kann davon ausgehen, daß Informationen an anderre Mitglieder weitergeben werden. Der Sektenexperte Hemminger spricht von "einer gut organisierten sozialen Kontrolle im VPM" 3)

Da der VPM sich stets auf die Wissenschaftllichkeit seiner Arbeit beruft, sollen an dieser Stelle Ausführungen von zwei psychologischen Fachverbänden folgen: "Der Bundesvorstand der DGIP (Deutsche Gesellschaft für Individualpsychologie e. V.) distanziert sich von den Aktivitäten und psychologischen Auffassungen des VPM. Dieser beruft sich zhwar in seiner Theoriebildung ebenso wie die DGIP auf die Individualpsychologie Alfred Adlers. Der sektenhafte Anspruch des VPM und seiner Organisationen auf eine Art Definitionsmonopol steht aber im krassen Widerspruch zur wissenschaftlichen Orientierung der Individualpsychologie." 4)

Auch der Berufsverband Deutscher Psychologen distanziert sich vom VPM: "Der Berufsverband Deutscher Psychologen (BDP) stellt dazu fest, daß der VPM sowohl für seine Weltanschauung als auch für die von ihm vertretenen und verbreiteten angeblich psychologischen Erklärungen und (Lehr-) Meinungen zu besonderen Fragen, psychologische Erkenntnisse mißbraucht bzw. Auffassungen vertritt, welche durch die psychologische Wissenschaft weder begründet sind noch gerechtfertigt werden können. Dies gilt in entsprechender Weise und in ebensolchem Maße für die unter der Bezeichnung Psychotherapie vollzogene Betätigung des VPM.

... Die sogenannte psychotherapeutische Betätigung des VPM entbehrt jeder fachlichen Grundlage; die art ihrer Ausübung ist weder mit der Berufsordnung für Psychologen noch mit allgemein geltenden Gesetzen vereinbar. Wenn beispielsweise Tonbandmitschnitte von Gruppensitzungen, in denen Mitglieder ihr Innerstes offenbaren, mißbraucht werden, um Abweichler zu disziplinieren, mundtot zu machen oder gar zu erpressen, dann ist dies als ein eindeutiger Verstoß gegen die strafrechtlich sanktionierte Schweigepflicht und außerdem ein Beleg für das menschenverachtende Verhalten des VPM." 5)

Der Absolutheitsanspruch der "Züricher Schule" als alleiniger Garant von Menschlichkeit und Fortschritt wird weiterhin gepflegt.

Die regionalen Gruppen des VPM tragen unterschiedliche Namen und sind als eigene Vereine konstituiert. Bekannt sind beispielsweise die Gesellschaft zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis (GFPM) in Berlin und Hannover, das Institut zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis (IPM) in Wien und der Europäische Verband zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis (EVPM). Man geht von ungefähr 4000 Mitgliedern aus, die sich aus Ärzten, Psychologen, Lehrern und andere Berufen mit Multiplikatorenfunktion rekrutieren. Der VPM veranstaltet "Pädagogische Schulungswochen", Ferienfrreizeiten und Kinderbetreuung, Lernhilfen, Jugendgruppen und Kongresse.

Das Leben der Mitglieder in Wohngemeinschaften wird befürwortet. Der VPM bezieht Stellung zu fragen der Aids- und Drogenprävention. Bekannt sind in diesem Zusammenhang die Aidsaufklärung Schweiz (AAS), der Arbeitskreis Drogenfreie Schulen in Bayern und Erlangen sowie der Arbeitskreis Qualifiziertes Studium aktiv und versucht, in Fachschaften und Uni-Gremien Fuß zu fassen.

Die Abgrenzung von anderen rückte in den letzten Jahren zunehmend in den Vordergrund. Der VPM gilt als sehr prozeßfreudig, wenn es darum geht, Kritiker mit Hilfe gerichtlicher Verfügungen zum Schweigen zu bringen. Auch mit der Entwicklung von Feindbildern und der Diffamierung Andersdenkender hält sich die Gruppe nicht zurück, wobei die Bezeichnung "Linksfaschisten" ziemlich alle Gegner erfassen soll.

Der EVPM Köln verbreitete eine gefälschte Presseerklärung, wonach die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen ihren Mitarbeiter und VPM-Kritiker Hemminger gemaßregelt hat. Der Schwindel flog auf.

Monika Schippmann, Sektenbeauftragte des Berliner Senats, wird ohne Hinweise beschuldigt, Sympathisantin der RAF zu sein, weil sie sich kritisch zu Aktivitäten des VPM äußerte. Diese Liste könnte noch fortgesetzt werden.

Aufgrund seiner konservativen Anschauungen und restiktiven Drogen- und Aidspolitik, mann der VPM mit Unterstützung aus dem konservativen Lager von Politik und Gesellschaft rechnen. Der Arbeitskreis Christlicher Publizisten veröffentlicht regelmäßig Artikel, die den VPM unterstützen.

Aufgrund der bisherigen Vorgehensweise der Gruppe in anderen Bundesländern ist anzunehmen, daß Mitglieder zukünftig auch in Sachsen versuchen werden, in Schulkollektive zu gelangen, um dort Schlüsselpositionen zu erhalten, die ihnen die Verbreitung ihrer Anschauungen bei Lehrern, Schülern und Eltern ermöglichen. Auch die zunehmend überfüllten Universitäten und Hochschulen, mit ihren oft verunsicherten, nach Sinn und Halt suchenden Studenten und Lehrkräften bieten einen idealen Nährboden für die Heilskonzepte verschiedener Gruppierungen, die Orientierungslosen ein Ziel vorführen.

Besonders lukrativ sind leitende Positionen im Rahmen der Lehrerfortbildung, weil auf diese Weise eine besonders große Anzahl Multiplikatoren des Erziehungsbereiches erreicht wird.

Im Mai 1992 wurden an sächsische Landtagsabgeordnete Einladungen für eine Tagung des VPM in Erfurt verteilt. Im gleichen Jahr erfolgte eine "Briefkastenkontaktaufnahme" bei Abgeordneten der CDU- und FDP-Landtagsfraktion in Sachsen und beim katholischen Bischof des Bistums Dresden-Meißen.

Im März 1993 wurde für den Kongreß "Mut zur Ethik", der im September desselben Jahres in Bregenz stattfand, geworben. Als Veranstalter fungierten unter anderem die Europäische Ärzteaktion Ulm (EAA) und der Arbeitskreis Christlicher Publizisten (ACP).

In der Chemnitzer Freien Presse erschien am 4. August 1993 das Zehn-Punkteprogramm "Goldene Regeln für die Drogenprophylaxe", das sehr positiv gewertet wurde. Es wird angenommen, daß zahlreiche Politiker und Schulämter Einladungen zu verschiedenen Tagungen erhielten und daß im Kultusministerium nach einem Ansprechpartner gesucht wird.


1) Materialdienst Jugendarbeit (MAJA) 1/1995
Arbeitshilfen und -materialien für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendarbeit, sowie für Schulen, Jugendämter und alle Interessenten.
Hrsg. v. Evangelische Jugend Sachsens, Landesjugendpfarramt.
Dresden, 1995

2) "Input" - Sendung von Radio DRS 3 vom 19.03.89 mit der VPM-Aussteigerin R.

3) Hansjörg Hemminger: VPM und die "Züricher Schule", in: "Sekten, religiöse Sondergemeinschaften, Weltanschauungen" - Teil der Werkmappe Nr. 61/1990, Wien, S. 26

4) Erklärung der DGIP e. V., in "Psychologie heute", Mai 1994

5) Auszüge aus: Informationen Deutscher Psychologen vom 16.06.1992