THEMA: Der Todestrieb in der "Familie"

von Helle Meldgaard

  1. "In die Kirchen eindringen!"
  2. Die "Familie" sucht Freunde
  3. Charmeoffensive
  4. Keine Verstecke mehr
  5. Jim Jones
  6. "Kein Ausweg"
  7. LETZTE MELDUNG
  8. Gründer der Kinder Gottes (Die Familie) stirbt im Alter von 75 Jahren.

Die Schriften Moses Davids enthüllen eine beunruhigende Entwicklung in der Sekte, die sich einmal "Kinder Gottes" nannte.

Seit 1992 hat das Dialog Center sich bemüht, etwas Licht in die Angelegenheiten um die Neureligion zu bringen, die sich heute "Familie" nennt, und die sich früher "Kinder Gottes" oder "Familie der Liebe" nannte. Die Gruppe entstand in den 60er Jahren als eine erweckungsgeprägte, charismatisch-pfingstlerische Mission unter den Hippies Kaliforniens.

Der Gründer war David Berg (genannt Moses David), ein umherziehender Prediger, der - nach vielen karrieremdßigen Rückschlägen - plötzlich eine eifrige Anhängerschar von Teenagern fand, die auf der Suche nach einem Ersatzvater waren.

Im Laufe der Jahre hat die Gruppe auch Schlagzeilen in den Zeitungen gemacht aufgrund ihrer besonderen Lehre von Sex als Teil des Heils. In späteren Jahren hat sie aber neue Signale ausgesandt, denen zu entnehmen war, daß die "Familie" versuchte, Abstand von ihrem schlechten öffentlichen Image zu gewinnen. Sie hatte dieses schlechte Ansehen bekommen, als Moses David die weiblichen Jünger auf flirty fishing sandte, um Geld zu beschaffen und neue Anhänger durch sexuelle Dienste zu gewinnen. "Kinder Gottes haben das getan, nicht die Familie", lautet heute ein Argument.

Die Freunde des Dialog Center International wissen, daß wir nicht vom Schreibtisch her argumentieren, sondern den direkten "Dialog in Konfrontation" mit der "Familie" geführt haben. Dies geschah u.a. bei einer öffentlicher Anhörung über das Leben und die Lehre der "Familie" an der Universität Aarhus im Dezember 1993.

Wir hatten u.a. zu einer Besprechung umstrittener Texte eingeladen, und zwar eigener, autoritativer Texte der "Familie", geschrieben von Moses David und in großer Zahl rundgesandt zu den Anhängern. In einem dieser "MO-Briefe" erzählt Moses David, der Leiter, mit eigenen Worten, wie er während einer sogenannten "Dämonenaustreibung" sein Enkelkind, ein vierzehnjähriges Mädchen, stundenlang verprügelte, wonach sie an ein Bett gebunden wurde.

"Sie hat immer Probleme gemacht", lautete der Kommentar des dänischen Leiters der Familie, Paul Valour, bei unserer Anhörung. Er selbst kannte das betreffende Mädchen, weil sie sich für einige Zeit in Kopenhagen aufgehalten hatte. Übrigens meinten die Mitglieder der "Familie" bei unserer Begegnung auch, daß es des Mädchens eigene Schuld war, daß die Mißhandlungen stattgefunden hatten.

Nach unserer Begegnung mußten wir konstatieren, daß das Dialog Center solange seine ablehnende Haltung zur "Familie" - Sekte nicht ändern kann, solange die Gruppe sich nicht eindeutig von den verrückten Aspekten der Ideen und der Praxis des Moses Davids distanziert. Die bloße Namensänderung (statt "Familie der Liebe" nun "Familie") hat den Inhalt nicht geändert. Moses David war weiter ihr geistliches Oberhaupt, und er prägte weiter ihr inneres Leben, wie auch aus dem Folgenden hervorgeht:

"In die Kirchen eindringen!"

Seit der Anhvrung im Dezember 1993 haben wir nicht geschlafen. Der Fall der "Familie" ist keineswegs abgeschlossen, obgleich es im vergangenen Jahr scheinbar ruhig um die Sekte war. Immer mehr Informationen und Materialien haben sich inzwischen bei uns gehäuft, und es ist Zeit, sie mit den Lesern zu teilen.

Das ist auch deshalb dringlich, weil die "Familie" jetzt versucht, die Kirchen zu infiltrieren. Gleichzeitig wird übrigens die Gesellschaft im Ganzen als eine feindliche Verschwörung gegen die "Familie" angesehen. Selbst der Tod eines Mitgliedes könne wegen dieser feindlichen Umgebung als unvermeidliches Opfer nötig werden.

Schon Ende der 70er Jahre erschien ein Heft von Moses David, betitelt "It's TimePAGE 22

to Invade the Churches!" ("Es ist Zeit, die Kirchen zu infiltrieren!"). Darin forderte der "Prophet" seine Anhänger dazu auf, reguläre Kirchengemeinden u.a. aus ökonomischen Gründen zu infiltrieren. Die Anweisung lautete, sie sollten vermeiden, zu sagen wer sie sind und woher sie kommen. Tatsächlich kam es zum Eintritt seiner Anhänger in verschiedene christliche Kirchen und Gemeinschaften, so daß sie sich selbst in Sonntagsschulen und Bibelgruppen breit machten. Gutgläubige Geistliche wirkten dabei mit, auf diese Weise der "Familie" etwas Geld zu beschaffen. Die Aktion wurde in einem Text der Sekte vom Juli 1993 als sehr geglückt bezeichnet. In der Regel endete aber die Zusammenarbeit, sobald ans Licht kam, daß es die Anhänger von Moses David waren, mit denen man in Verbindung gekommen war.

Die "Familie" sucht Freunde

Die neueste Entwicklung kann man nach- lesen in einem internen Text betitelt "Go to the Churches!" ("Geh zu den Kirchen!") von Juli 1993. Das Titelblatt zeigt das Bild eines Kirchengebäudes mit einem Schild, auf dem steht: "Der Gottesdienst dieser Woche wird von der Familie geleitet". Eine Person sagt in einer Sprechblase: "Na sowas, die Familie ist heute hier!"

Der erster Teil des Texts trägt die Überschrift "We're Not Anti-Church!" ("Wir sind nicht gegen die Kirche!") - eine verblüffende Aussage im Zusammenhang mit Moses Davids bisherigen Lehren in Bezug auf die Kirchen.

Nach Berichten von ausgetretenen Mitgliedern der "Familie" läuft die Taktik nicht zuletzt darauf hinaus, festzustellen, daß die "Familie" etwas ganz anderes als die "Kinder Gottes" sei. Die Sekte setzt viele Kräfte daran, die Umwelt davon zu überzeugen, das sie den Charakter geändert habe.

Das sei aber eine Lüge, sagen die früheren Anhänger. Die Sekte habe einfach nur den Namen geändert.

Die Ursache des neuen Benehmens den traditionellen Kirchengemeinden gegenüber müsse in den häufigen deutlichen Presseberichten der vergangenen Jahre über das sexuelle Verhalten der Sekte gesehen werden, nicht zuletzt auch über die sexuellen Praktiken gegenüber minderjährigen Mitgliedern.

Die "Familie" sucht jetzt verzweifelt nach Freunden, die sie beschützen können. Und wer ist dafür näher als die Kirche: "They may have to depend on their help one of these days, including right now!" schreibt Moses David über seine Anhänger. ("Sie" - d.h. die Anhänger "brauchen vielleicht in nächster Zukunft ihre Hilfe" - d.h.: die Hilfe einflußreicher Kirchenmitglieder , "und gerade auch jetzt!").

Charmeoffensive

Darum sucht die "Familie" Kontakte mit Kirchengemeinden überall in der Welt, in Dänemark wie in den deutschsprachigen Ländern und Kirchen. Die Mitglieder der Sekte wenden sich an die Kirchengemeinden mit dem Angebot von Gesang und aktiver Gemeindearbeit. Sie suchen Sonntagsschulen und Bibelgruppen auf und bieten sich an, diese zu leiten. Der Zweck ist aber nur, ihre eigene Lehre zu verbreiten, und gleichzeitig in den Augen von Behörden und Medien seriös auszusehen.

Dazu passend schrieb Moses David in einem anderen Text: "Most countries don't like us if they find out who we are." ("Die meisten Länder mögen uns nicht, wenn sie dahinterkommen, wer wir sind.")

Der Prophet forderte seine Anhänger nun auf, alle Kirchengemeinden in der Region, wo sie wohnen, aufzusuchen. Er forderte sie weiter auf zu "vermeiden, kontroverse Themen zu diskutieren, und ihr sollt den Gottesdienst nicht stören."

Bild: Tanzende Kindergruppe mit "Missionarspaar" der "Familie" Anfang der neunziger Jahre in Dänemark. Foto: Jens Dammeyer, DCI

Es gibt guten Grund, diese Entwicklung aufmerksam zu verfolgen. Geistliche und andere kirchliche Mitarbeiter müssen daran erinnert werden, vorsichtig zu sein, bevor sie sich mit jemandem einlassen.

Dasselbe gilt im Übrigen auch für Geschäftsleute, die überall von den Mitgliedern der "Familie" auf Betteltour aufgesucht werden. Die Sekte ist in Verlegenheit und Not, aber es ist eine selbstgemachte Notsituation; sie wird aber aus der selbstgemachten Notsituation nicht herauskommen, solange sie nicht kritisch Stellung zu entscheidenden Teilen der Lehre Moses Davids nimmt.

Keine Verstecke mehr

In April 1993 tauchte ein anderer geheimer und interner Text in der "Familie" auf mit der Überschrift "Don't Give Up, Stand Up!" ("Gib nicht auf, steh auf!"). Hier schreibt Moses David, daß seine Anhänger früher immer auf der Flucht waren, aber daß es jetzt damit vorbei ist, weil die Sekte allmählich überall in der Welt bekannt ist. Es gibt keine Verstecke mehr. "Die Feinde sind näher gerückt", schreibt er, und "there's no way out but up" ("es gibt keinen anderen Ausweg als den Weg aufwärts.")

Moses David erklärt, daß er bis vor ein paar Jahren immer den Kindern eine Lifeline Map, eine "Rettungsleinen-Karte" gegeben hat, ein Art Weltatlas mit der Reiseroute des einzelnen Mitglieds für das ganze Leben, mit genauen Angaben für die Zeitspanne, für die es sich an jedem Platz aufhalten sollte.

"Wir schafften es immer, uns ein paar Sprünge unseren Feinden voraus zu halten, und darum sind wir immer noch da" schreibt er. "Sie haben mich noch nicht gefangen! Aber es würde mich nicht wun-PAGE 23

dern, wenn ich meinen letzten Widerstand schon an einem der nächsten Tage leisten müßte."

Er macht kein Hehl daraus, daß die Sekte am Ende des Weges angekommen ist, und daß die Situation angespannt ist: "Die letzte Zeit ist gekommen ... für mich jedenfalls ist sie gekommen."

Der Prophet bringt zum Ausdruck, daß "das System" (das heißt die Gesellschaft außerhalb der Sekte) bekämpft werden solle, während er seine Anhänger anweist, Kontakt zu den Kirchen aufzunehmen und sich dort Freunde zu schaffen. Dieser letzte Kampf gegen "das System" kann die Anhänger ihr Leben kosten: "... and you may be thankful when you die. Don't fear death, that's the easy part! That's your graduation, that's your release! You can look forward to that. It's just getting there that's a little hard." ("und es kann sein, daß du dankbar sein wirst, wenn du stirbst. Fürchte das Sterben nicht, das ist der leichte Teil! Es ist deine Reifeprüfung, es ist deine Erlösung! Du kannst ihr entgegensehen. Es ist nur der Weg dahin, der ein bißchen schwer ist.")

Jim Jones

Es ist besorgniserregend, daß Moses David seine eigene Situation mit der vergleicht, in der sich Jim Jones befand, bevor der kollektive Selbstmord in der Jonestown-Kolonie in dem Dschungel Guyanas 1978 stattfand:

"Er (d.h. Jim Jones) war fast an dem Punkt angelangt, wo er keine Plätze mehr hatte, wohin er konnte, Plätze zum Verstecken & sie wollten ihn nicht einmal da (im Dschungel) in Ruhe lassen. Sie verfolgten ihn weiter und versuchten noch, ihn zu erwischen... Ich verstehe fast, wie es für ihn gewesen sein muß: 'Nun denn, was können wir noch machen? Wo sonst können wir hin?-."

Aber im Gegensatz zu Jim Jones, der seinen Anhängern den gemeinsamen Selbstmord befahl, fordert Moses David seine Anhänger auf, den Kampf aufzunehmen: "Ich hätte lieber gesehen, daß er für die Wahrheit gerade steht und dabei von Maschinengewehren niedergemäht wird... Aber gebt nicht auf! Die Zeit ist da, eure Bastionen zu halten! Steht für Jesus ein! Sterbt als lebendiges Zeugnis! ... Wenn du also da angekommen bist, wo du die Verfolgungen nicht mehr schaffst, wo du die Verfolgungen nicht mehr aushältst, wo es zu hart geworden ist - die Folter oder was es sein mag - dann bete nur, daß du irgendwie schnell von hier wegkommst."

Einerseits lehnt Moses David also ab, es wie Jim Jones zu tun. Auf der anderen Seite behauptet er, daß das Resultat dasselbe werden kann.

Der Prophet Mose David hat sich zwar nie durch die Klarheit seiner Sprache ausgezeichnet. Dennoch geben diese Aussagen Anlaß zu befürchten, seine Anhänger könnten sich auf ein letztes Gefecht einrichten. Aber wie weit werden sie gehen?

"Kein Ausweg"

Was tun wir jetzt? fragt Moses David: "Rückzug machen, so wie einige es wün- schen, daß ich zurücknehme, was ich in Bezug auf Sex gesagt habe? Na ja, ich kann aufrichtig sagen, das es mir leid tut, daß die Rundbriefe zugänglich für die breite Öffentlichkeit geworden sind, und besonders, daß sie in die Hände unserer Feinde & von Leuten geraten sind, die ungeistlich sind... Sie hören sich nur deshalb schlecht in ihren Ohren an wegen der Art, in der die Welt mental disponiert ist... Ich kann sagen, daß es mir leid tut, daß meine Rundbriefe in solche Hände gefallen sind... Wir können nie erwarten, daß die Welt uns versteht. Vergeßt es! Aber gebt nicht auf wie Jones. Du mußt irgendwann sterben, also warum nicht für Jesus sterben? Warum nicht für die Wahrheit sterben? Wir müssen hin und wieder leiden."

Und er fährt fort: "Ich glaube nicht, daß uns sonderlich viel Zeit übrig bleibt. Ich glaube, es ist jetzt soweit. Es ist soweit! Aber sollten sie dich unterkriegen, ist heute nicht die rechte Zeit zu fliehen, so wie wir es früher gemacht haben. Jetzt stehen wir einfach für den Glauben ein & lassen uns kreuzigen! Das war das größte Zeugnis Jesu von Seiner Liebe zu uns! - Bist du bereit für Jesus aufzustehen...?

Daß die Situation ernst ist, geht auch aus einem anderen internen Text aus dem Juli 1993 hervor:

"Beklage es, aber es gibt keinen anderen Ausweg als den Weg Aufwärts! Wie die anderen Märtyrer müssen wir den Preis, für die Wahrheit aufzustehen, bezahlen. Wir werden wahrscheinlich einige der ersten Märtyrer dieser Generation... Ich glaube ganz todsicher, daß wir berufen sind, für unseren Glauben durch die Hände unserer Feinde zu sterben ... wir tun es einfach für die Liebe Jesu & Sein Wort & Seine Wahrheit, Seine Bibel. Es gibt kein anderes Ende, als unser Ende, das unser Anfang wird!... Der Tod ist unser Beförderung... Also je früher je besser! - Sieh nur zu, daß es als Zeugnis gegen sie zählt! - In Namen Jesu, Amen."

(Hervorhebung durch die Red.)

Es ist schwer möglich, einen anderen Schluß aus diesen Texten zu ziehen, als daß die Familie eine Sekte ist, die eher bereit ist, bis zum bitteren Ende zu kämpfen statt ihre Lehre und ihren Lebensstil zu ändern. Nach außen hin versucht sie, als eine harmonische Gruppe zu erscheinen, aber ihre internen Schriften zeigen eine Bewegung, die vom Todestrieb ihres Leiters immer weiter zum Abgrund geführt wird.

Übersetzung: Lisbeth Storm Bild: Helle Meldgaard

LETZTE MELDUNG

David Brandt Berg, Führer und Prophet der "Familie" gestorben

Der Anführer und Prophet der Familie der Liebe/Kinder Gottes ist tot. Die gut abgestimmte Art, mit der Bergs Tod am 25.11.1994 mit gleichzeitigen, gleichlautenden Presseerklärungen in verschiedenen Sprachen und Ländern bekannt gegeben wurde, läßt darauf schließen, daß die Gruppe unter straffer Führung von "Maria" weiterarbeiten wird. Schon in den Rundschreiben Bergs aus dem Jahr 1993 gab es die deutliche Tendenz, die Distanzierung von den umstrittenen Sexualpraktiken aufgeben und als taktisches Manöver zu bezeichnen und zu widerufen. 1993 schrieb Berg selbst schon: "Naja, ich kann aufrichtig sagen, das es mir leid tut, daß die Rundbriefe zugänglich für die breite Vffentlichkeit geworden sind." Heute heißt es in der offiziellen Presseerkldrung zur Bekanntgabe seines Todes zum "Flirty Fishing" sogar: "Während Die Familie diese Praxis 1987 einstellte, behaupten Mitglieder dennoch, daß es eine effektive Methode war, bestimmte, ansonsten eher skeptisch oder ablehnend eingestellte Menschen mit dem Evangelium zu erreichen". Anscheinend muß die Erklärung so verstanden werden, daß das "Flirty Fishing" weiter geschätzt wird, möglicherweise weiter praktiziert wird oder wieder verstärkt wird. Zu vermuten ist, daß auch alle anderen kritisierten Sexualpraktiken nur "kosmetisch" abgeschafft wurden. T.G.

IM WORTLAUT

Pressemitteilung: Zur Freigabe am: 25.11.94 Die Familie, Bahnhofstr. 52, 8001 Zürich Pressesprecher: M. Franke; Tel. 012198390. Foto auf Anfrage per Modem;

Dateinamen: DAVDBERG.JPG & DAVDBERG.TXT.

Gründer der Kinder Gottes (Die Familie) stirbt im Alter von 75 Jahren.

David Brandt Berg, Gründer und geistiger Führer der als Die Familie bekannten nonkonformistischen christlichen Missionarsbewegung, ist im Alter von 75 Jahren gestorben. Nach dieser Bekanntmachung erklärte Michael Anthony, der Sprecher der Familie: "Als Christen können wir uns nur freuen, daß unser geliebter Pastor nach einem langen und erfüllten Leben zu seiner himmlischen Belohnung gerufen wurde." Anthony sagte, daß Berg, der von seinen Nachfolgern Vater David oder Mose David genannt wurde, vor einigen Tagen nach kurzer Krankheit friedlich in der Nacht entschlief. Das genaue Datum und der Ort seines Ablebens wurden nicht bekannt gegeben. Berg, nicht bei bester Gesundheit, lebte seit vielen Jahren in Abgeschiedenheit.

Anthony gab zu verstehen, daß der Tod Bergs wahrscheinlich wenig Einfluß auf die Kontinuität der Familie als eine aktive evangelistische Bewegung haben wird. "Vater David war stets darauf bedacht, seine Frau Maria sowie andere Mitglieder der Familie in allen Aspekten der Führung und Administration unserer Gemeinschaft auszubilden", sagte er. "Sein hauptsächliches Ziel war immer, daß wir der Welt Gottes Liebe bezeugen und soviele Menschen wie möglich zum Glauben an Jesus gewinnen sollten. Das wird auch in der Zukunft unsere Hauptaufgabe bleiben."

Berg, der aus einer Familie nonkonformistischer Prediger und Evangeliumsverkünder stammt, verbrachte sein ganz Leben in christlichem Dienst. In 1968 gründete er die Bewegung der Kinder Gottes in Kalifornien. Anfangs setzte sich deren Mitgliedschaft hauptsächlich aus ehemaligen Drogensüchtigen und Hippies zusammen, später stießen jedoch Menschen aus allen Schichten dazu. Nach einer Zeit des raschen Wachstums wurde die Gruppe später in Die Familie umgenannt. Gegenwärtig hat die Familie etwa 9000 vollzeitige Mitglieder die in über 200 kooperativen Gemeinschaften in 43 Ländern leben, in welchen sie auf missionarischer und humanitärer Ebene aktiv sind.

Bergs hauptsächliches Vermächtnis ist zweifellos die Bewegung, die er gegründet und geleitet hat. man wird sich an ihn jedoch auch wegen seiner oft kontroversen Ansichten erinnern, welche er in annähernd 3000 "Briefen" zum Ausdruck brachte und mit denen er sich im Verlauf der letzten 25 Jahre an seine Nachfolger und an die Vffentlichkeit gewandt hatte. Er kritisierte die große Masse der Christen dafür, daß sie den Lehren Christi nicht besser Folge leisteten. Er verfechtete (so im Orig.!), daß Christen ihr Leben nach dem Vorbild der Urkirche des ersten Jahrhunderts richten, einen einfachen, kooperativen Lebensstil haben und soviel von ihrer Zeit und ihren Mitteln wie möglich darauf verwenden sollten, das Evangelium zu verbreiten.

Die materialistische, westliche Gesellschaft, insbesondere die Vereinigten Staaten, waren auch Ziel seiner Kritik. Er prangerte die Entchristianisierung und Dekadenz des amerikanischen Volkes an und warnte, daß es, wie schon das alte Juda in den Tagen Jeremias, für seine Sünden hart bestraft werden würde. Er betrachtete die Neue Weltordnung (The New World Order) und den Trend zu einer einheitlichen Weltregierung als die Vorbereitung für das Auftreten des Antichristen, einem gottlosen Weltdiktator, von dem die Bibel vorhersagt, daß er in den letzten Tagen vor Jesu Christi Rückkehr die ganze Welt regieren wird.

Bergs Lehren bezüglich sexueller Freiheit brachten ihm und seinen Nachfolgern einiges an notorischer Berühmtheit ein. Berg lehrte, daß heterosexuelle Beziehungen zwischen im gegenseitigen Einverständnis stehenden Erwachsenen, in den Augen Gottes keine Sünde seien. Dieses Prinzip wurde von ihm als "Das Gesetz der Liebe" bezeichnet. In den späten Siebziger und frühen Achtzigerjahren ermutigte er seine Nachfolger, sich in einer Form von sexueller Evangelisation zu betätigen, die er "Flirtiges Fischen" nannte. Während Die Familie diese Praxis 1987 einstellte, behaupten Mitglieder dennoch, daß es eine effektive Methode war, bestimmte, ansonsten eher skeptisch oder ablehnend eingestellte Menschen mit dem Evangelium zu erreichen.