Kirche oder "Dach der Religionen"

Zum Rücktritt des Prof. Weber aus der Synode

von Thomas Gandow

Inhalt

  1. Einleitung
  2. Irenische Polemik
  3. Irenik und der Sturm der Babri-Moschee
  4. Berufung als Verfolgung
  5. "Dach der Religionen", VkV und VHP


Einleitung

Die Meldung blieb dem Fernsehmagazin Report (München) vorbehalten. Prof. Edmund Weber, umstritten wegen seines Engagements als Referent bei Mun-Tagungen, vor allem aber hervorgetreten als Befürworter des "fundamentalistischen" Hinduismus bis hin zur extremistischen Vishwa Hindu Parishad (VHP), hat mit dem 6. Januar 1996 sein Amt als von der Kirchenleitung berufenes Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau zurückgegeben. Der Professor für Evangelische Theologie an der Frankfurter Johann-WoIfgang-Goethe-Universität war in den letzten Jahren immer wieder durch sein eigenwilliges Verständnis eines interreligiösen Dialogs aufgefallen - und war u.a. von kirchlichen Sektenbeauftragten gelegentlich vorsichtig kritisiert worden.

Irenische Polemik

Kein Wunder deshalb, daß er umgekehrt die Arbeit der Weltanschauungs- und Sektenbeauftragten der christlichen Kirchen kritisierte und schmähte.

In seinem polemischen Eifer ließ der angebliche "Ireniker" auch ungewöhnliche Tiraden drucken. Die Sendung Report (22.1.96) wies nochmals auf eine solche Weber- Äußerung hin. Der Theologieprofessor in einem seiner Werke: "Aus alledem ergibt sich letztendlich, daß auch die Kirche... das dornige Geschäft interreligiöser Beziehungen nicht 'zur Erledigung' Inquisitionsagenten und -ideologen überlassen darf ... Die polemische Erfindung von - wie es in der Inquisitionssprache heißt - 'Sekten' im Rahmen der interreligiösen Kriegsführung hat zudem den Kirchen den versprochenen Erfolg nicht gebracht."

Irenik und der Sturm der Babri-Moschee

Ungewöhnlich war auch seine Arbeitsweise an der Front der irenischen Information. Weber gab einfachheitshalber unter seinem Namen ein Buch heraus, das in Wahrheit lediglich die Übersetzung eines Werkes eines amerikanischen Krishna-funktionärs war, nahm immer wieder an Konferenzen der Mun- Bewegung teil, leitete in einem Fall die Konferenz.

Es kam aber noch schlimmer: Vom 28. bis 30. August 1992 organisierte Weber maßgeblich die "5. Europäische Hindukonferenz" der Vishwa Hindu Parishad (VHP) unter dem Motto: "Hinduismus - Die Philosophie der Menschheit" in Frankfurt am Main.

Bekanntlich organisiert die VHP in Indien die heftigen Demonstrationen von fundamentalistischen und extremistischen Hindu-Gruppen gegen Andersgläubige und steht in engem Bündnis mit der BJP (Bharatiya Janata Party), einer rechtsgerichteten Partei, die die Trennung von Staat und Religion aufheben will durch "Hindutva", d.h. Verbindlichkeit von Hinduwerten für die ganze Gesellschaft und die das "Hindu Rashtra", ein "Hindu-Reich", errichten will. Die als Kampf um religiöse Identität vorgetragene Politisierung der Religionen führt zur Zerstörung einer Gesellschaft, die nur durch Toleranz und Säkularität bestehen könnte und damit auch in Richtung der Zerstörung des Friedens auf dem indischen Subkontinent. Im Gegenzug kommt es zur wachsenden Radikalisierung unter indischen Muslimen, die nun verlangen, daß für sie die Schari'a gelten solle. (Vgl. hierzu auch den Beitrag von Bassam Tibi, S. 17 ff., dort auch Literaturhinweise).

Weber lobte auf dem Kongress die hinduchauvinistische Organisation VHP (Vishwa Hindu Parishad = "Welt-Hindu-Rat") als moderne Bürgervereinigung, die gegen den "militanten Pseudosäkularismus und intoleranten Liberalismus" kämpfe. Ganz auf der Linie der VHP lieferte Weber auf dem Kongress aber nicht nur Stichworte, sondern trat in seinem Vortrag offen für die Abschaffung der Schutzrechte religiöser und ethnischer Minderheiten in Schule und Gesellschaft in Indien ein. Während die VHP und Prof. Weber als ihr offenkundiger Propagandist für ihre eigenen Anhänger religiöse und kulturelle Gleichberechtigung in Europa fordern, wollen sie also die gleichen Rechte den ethnischen und religiösen Minderheiten in Indien gerade nehmen. Weber setzte sich aber nicht nur mehr oder weniger abstrakt für gefährliche politische Ziele einer extremistischen Organisation ein, sondern er war damit beteiligt an der propagandistischen Vorbereitung des Sturms auf die Babri-Moschee in Ay-odhya, zusammen mit einem seiner Doktoranden, einem Pfarrer Toepelmann, der als Pressereferent des Kongresses diente. Die beim Kongress dann auch an die Presse verteilte offizielle Kongress-Broschüre enthielt zur Motivation (und An-stachelung?) quasi als Frontispiz ein Modellbild des an Stelle der erst noch zu stürmenden und zu zerstörenden Babri-Moschee geplanten Hindutempels.

Tatsächlich fand nur drei Monate nach dem Kongress, am 6. Dezember 1992, der Sturm auf die Babri-Moschee statt. Sie wurde gestürmt und zerstört und mußte dem schon in Frankfurt projektierten Hindu-Tempel Platz machen. Es folgten pogromartige terroristische Ausschreitungen von Hindu-Fanatikern, die angesteckt und ideologisch gerüstet worden waren von radikalen Hinduorganisationen, allen voran die VHP. Die Ausschreitungen richteten sich gegen die muslimische Minderheit, und zogen sich bis Anfang 1993 in Bombay hin. Weit über tausend Menschen starben.

Berufung als Verfolgung

Eine, wenn auch sanfte Kritik an Weber blieb auch diesmal nicht aus. Kritische Fragen fanden sich selbst in Frankfurter Tageszeitungen. Der skandalöse Angriff Webers auf Religionsfreiheit und Minderheitenrechte auf der 5. europäischen VHP-Konferenz in Frankfurt/Main 1992 blieb aber für Weber ohne Konsequenzen. In die hessen-nassauische Synode berufen und dort belassen, verstieg sich Weber im Sommer letzten Jahres bei einer im Wesentlichen von der ISKCON beförderten Veranstaltung in Berlin gleichwohl zu der Behauptung: "Ich wurde von der modernen Inquisition verfolgt" (Frankfurter Rundschau 29.7.95). Außerdem wird Weber in dem gleichen Artikel so zitiert: "Der Antisemitismus vergangener Tage wird heute ersetzt durch Antihinduismus."

Schon beim Kirchentag 1989 in Berlin hatte Edmund Weber übrigens behauptet, es habe im Christentum einmal einen Reinkarnationsgedanken gegeben, der mit "Feuer und Schwert ausgerottet worden sei". Auf eben dieser Kirchentagsveranstaltung mußte Weber von den hinduistischen und buddhistischen Gesprächsteilnehmern in seiner Reinkarnationspropaganda gebremst und korrigiert werden.

"Dach der Religionen", VkV und VHP

Nicht nur seine maßlosen Fehleinschätzungen und seine Dialogunfähigkeit, sondern auch sein Kirchenbild und sein Umgang mit der Kirche sind problematisch. Edmund Weber hatte sein Kirchenbild so formuliert: "Offene und einladende Kirche sein heißt heute, interreligiöse Mauern niederreißen, die Volkskirche zu einem für alle Menschen offenen Haus der Religionen und zum Sammelbecken aller um ihr Seelenheil besorgten Menschen werden zu lassen." (zitiert nach E. Weber. Theologische Thesen und praktische Konklusionen zum Problem interreligiöser Beziehungen, in der Studentenzeitung Kreuzung Sommersemester 1992) Zur Verwirklichung dieses Konzepts gehörten dann die Aktivitäten der "Volks-kirchlichen Vereinigung", die es sich anscheinend zur Aufgabe gemacht hat, die Anliegen der VHP in Deutschland zu verbreiten.

Bereits beim Kirchentag 1987 in Frankfurt/Main hat Weber die Veranstalter aufs Kreuz gelegt, um die Kirche zum "Sammelbecken" und "Haus der Religionen" zu machen. Damals hatte er einen Stand in der Halle der kirchlichen Werke und Verbände angemeldet.

Am Stand verteilte Prof. Weber höchstpersönlich die VHP-Werbung, assistiert von Prof. Stoodt, der zusätzlich Buddhismus-Prospekte anbot. Viele Besucher der "Halle der Kirchlichen Werke und Verbände" beim Kirchentag in Frankfurt/Main wunderten sich über den VHP-Stand mitten in dieser Halle, der, wie ein erst nach Protesten angebrachtes, kleines Schild auswies, von Webers Verein "Volkskirchliche Vereinigung" angemeldet worden war.

Fraglich ist, ob ein solcher Theologieprofessor geeignet ist, Religionspädagogen und Pfarrer auszubilden. Zu hoffen ist jedenfalls, daß mit dem Ausscheiden Webers aus der hessen-nassauischen Synode die kritische Diskussion um Konzepte der "Kirche als religiöses Sammelbecken" als "öffentliches Haus" zur religiösen Bedürfnisbefriedigung oder gar als "Dach der Religionen", kurzum: die Synkretismusdebatte, nicht ad acta gelegt wird, sondern endlich beginnt.


Thomas Gandow

Thomas Gandow, 49, Provinzialpfarrer für Sekten und Weltanschauungsfragen der Evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg, erforscht seit 1978 im Auftrag seiner Kirche die Szene der Neuen Religionen, Sekten und Weltanschauungsbewegungen und ist Spezialist für die Mun-Bewegung mit ihrer "Vereinigungskirche".
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