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Muslime in Deutschland
von
Gabriele Lademann-Priemer

Ursula Spuler-Stegemann, Muslime in Deutschland - Nebeneinander oder Miteinander HERDER/Spektrum 1998, DM 24,80

Das Buch "Muslime in Deutschland" von Frau Spuler-Stegemann ist geradezu ein Muß für alle, die den Dialog mit dem Islam und mit Muslimen suchen und führen. "Einander besser zu verstehen ist selbst bei größter Toleranz nur möglich, wenn auch unbequeme Wahrheiten ausgesprochen und diskutiert werden." Dieser Satz ist programmatisch. Die Verfasserin setzt auf den Dialog, jedoch nicht um den Preis des Verschweigens. Sie packt mutig heiße Eisen an. Das macht bereits der Blick in das Inhaltsverzeichnis deutlich. Die Leserschaft findet Stichworte von "Aleviten" über "Frauenfragen", "rituelles Schlachten" und taqiya, das Gebot der "Verstellung" in "Feindesland" bis zu "Zielvorstellungen" der islamistischen Feindbilder. Es sprengt den Rahmen einer kurzen Rezension, auf dies spannenden und informativen Kapitel auch nur annähernd einzugehen.

Die Verfasserin erspart der Leserschaft nichts. Sie weist auf die politischen Verbindungen und Verzahnungen von IGMG ("Milli Görus", der "Neuen Weltsicht", richtiger: "nationale Weltsicht") hin. IGMG gilt als größter türkisch-islamischer Verband in Europa mit politischislamistischen Zügen. Ihm verdankt die Refah Partisi Erbakans ihren Aufschwung. Ferner wird auf manche rechtsradikalen Züge in muslimischen Publikationen hingewiesen, die der deutschen Leserschaft mangels Sprachkenntnis verborgen bleiben. Die Verfasserin unterstreicht jedoch auch, daß viele islamische Sicht- und Verhaltensweisen durch die deutsche Ausländerpolitik begründet oder verstärkt werden. Die Schwierigkeiten muslimischer Jugendlicher werden ausführlich geschildert. Die Verfasserin führt Beispiele gelungenen Miteinanders von Christen und Muslimen an, die jedoch stets angefochten bleiben, sie bringt Beispiele für mißlungenes Zusammenleben und sucht für beides nach den Gründen.

Spuler-Stegemann weist auf die untergeordnete Stellung der Frau in islamischen Gemeinschaften hin und führt den Lesern und Leserinnen gleichzeitig emanzipierte Musliminnen vor Augen, die Veränderungen hervorbringen und einflußreich sind. Spuler-Stegemann verschweigt die Unterdrückung von Christen in manchen islamischen Länden nicht, und sie sagt auch, daß für die Christen der eigene Glaube im Gespräch mit dem Islam lebendiger werden kann. Sie betont, daß sich die Christen über dem Hintergrund ihres jeweiligen Gesprächspartners klar sein müßten und wissen sollten, daß für manchen Muslim Dialog mit Mission gleichbedeutend ist. Den "christlichen Kirchen" wird die bedrükkende Frage gestellt, "warum unter den Dialogpartnern fast ausschließlich organisierte Muslime, nicht aber die in ihrer Existenz bedrohten Aleviten zu finden sind".

Das Buch vermeidet Vorurteile jeder Art, es gilt das stets mühevolle "Sowohl-alsauch". Eine Sicht oder Erfahrung trifft zu, die gegenteilige jedoch auch. Das macht den Reiz der Lektüre aus. Das vorletzte Kapitel trägt die Überschrift "Miteinander". "Der wahre Dialog zwischen Christen und Muslimen steht ... noch bevor. Er kann erst dort einsetzen, wo Berührungsängste und wechselseitiges Mißtrauen hinreichend abgebaut sind. Dann kann deutlich werden, welch großartige Bereicherung das Miteinander beider Religionen bereithält." Dieses ist die Verheißung für die Zukunft, wenn die Menschen der Gegenwart bereit sind, durch die Widersprüche und Grundsätzlichkeiten hindurch zu kämpfen.



Pastorin Dr. Gabriele Lademann-Priemer, 52, Beauftragte für Sekten- und Weltanschauungsfragen im Sprengel Hamburg der Nordelbischen Evangelischen Kirche, promovierte nach eigenen Feldforschungen über ein Thema aus dem Bereich afrikanischer Religionen und Kulte.


Neues von Franz Alt
von Thomas Klatt

Franz Alt hat ein neues Buch geschrieben: Tibet. Seit 1982 ist Franz Alt dem amtierenden Dalai Lama im Exil schon 15mal begegnet. Tibet ist seit fast 40 Jahren von China besetzt. Die Tibeter leiden unter den fremden Soldaten, denen der Dalai Lama "kulturellen Völkermord" vorwirft. Zwischen 1950 und 1983 mußten 1,2 Millionen Tibeter die rot- chinesiche Besatzung mit ihrem Leben bezahlen.

Zwangsabtreibungen und -sterilisationen sind alltäglich. Die Bergnatur wird als chinesische Müllhalde mißbraucht, die Wälder werden systematisch gerodet. Die buddhistische Religion Tibets wird unterdrückt. Fast alle Klöster wurden zerstört.

Doch Alt schreibt nicht viel Neues. Auf gut 50 Seiten propagiert er immer wieder die Vision des vielleicht bald real existierenden Pazifismus und der Ökologie in einem freien Tibet. Alt denkt und schreibt noch unverkennbar wie in den Hochzeiten der deutschen Friedensbewegung. "Frieden ist möglich", wenn schon nicht hier, dann wenigstens in Tibet. Das Dach der Welt könnte nach dem Abzug der Chinesen und der Rückkehr des Dalai Lama zu einer beispielhaften "Werkstatt" zur "Bewahrung der Schöpfung" werden. In seiner "Liebeserklärung an eines der freundlichsten Völker und geheimnisvollsten und schönsten Landschaften der Erde" nimmt es Alt nicht so genau. Der Katholik Alt macht den Dalai Lama zum "Papst des Ostens", und irgendwie haben bei ihm Jesus und Buddha das gleiche gewollt. Dank Tibet entdeckt Alt endlich den "ökologischen Jesus".

Das Buch bleibt aber in der altschen Gefühlsduselei zum Glück nicht stecken. In den restlichen 100 Seiten führt Klemens Ludwig kompetent und lesefreundlich in die Geschichte und Problematik der chinesisch-tibetischen Beziehungen und in die tibetische Hochland-Religion ein. Ludwig war lange Zeit Mitarbeiter der renommierten Gesellschaft für bedrohte Völker in Göttingen und bereist heute als freier Journalist ferne Länder. Ergänzt werden die Ausführungen durch die leider nur kleinformatigen Bilder des Reisephotographen Helfried Weyer. Weyer gibt auch knappe Reiseinformationen und Empfehlungen für den Tibet-Besucher.

Das Buch ist insgesamt nicht schlecht, doch ohne Franz Alt und zu einem günstigeren Preis ließe sich sicher leichter zu einem Kauf raten.

Franz Alt, Klemens Ludwig, Helfried Weyer: Tibet. Schönheit - Zerstörung - Zukunft.
Umschau Buchverlag, Frankfurt am Main, 1998, 168 Seiten, 36 Farbtafeln, 22 s/w-Abbildungen. Gebunden, mit Schutzumschlag. DM 49,80 DM, ISBN 3-52469117-X



Thomas Klatt, 34, Leiter des Evangelischen Journalistenbüros Berlin, ist Theologe und Journalist. Anschrift des EJB Berlin: Kuglerstr. 28, 10439 Berlin, Fon: 030-446 503 95; Fax: 030-446 503 96

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