Die Rezension

Otto Maiers Sektenbeauftragter - Demagogie als Fiktion

von Hubert Kohle

Wer unter dem Romantitel "Der Beauftragte" einen spannenden Roman des "religious fiction"-Genres aus dem Milieu der kirchlichen Sektenbeauftragten erwartet, wird enttäuscht. Der so betitelte "Roman" entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Tendenzschrift. Jedoch ist dann wieder spannend, wer mit solcher Schrift die (hier: katholische) Kirche angreift und dabei selbst vor simplem antiklerikalem Vokabular ("Großinquisitoren") nicht zurückschreckt. Obwohl sich in diesem Roman zunächst eine innerorganisatorische Auseinandersetzung abbildet, werden doch im Hintergrund dieser Schrift auch Stimmen aus dem außerkirchlichen Milieu deutlich hörbar, die einer kritischen Betrachtung durch kirchliche Sekten-Beauftragte mit Grund ganz grundsätzlich ablehnend gegenüberstehen. - Red.

Hinweise darauf, daß Otto Maier sich mit seinem Roman "Der Beauftragte" belletristisch betätigen wollte, sind nirgends zu finden. Auch zeigt der Untertitel ("Zum Zeitgeschehen eine Analyse") deutlich auf, daß es dem Pallotinerpater um etwas anderes als um "schöne Literatur" geht. Daß "Der Beauftragte" als Roman konzipiert wurde, muß wohl als Notlösung verstanden werden - und dementsprechend ist auch die literarische Qualität ausgefallen.

Die Handlung ist schnell erzählt: Eine deutsche Diözese stellt einen ihrer Priester als Sektenbeauftragten an, mit geteilter Zustimmung des Bischofs - in gewisser Weise wurde er dazu eher gedrängt, als daß es ihm ein Anliegen wäre. Bald entpuppt sich der Beauftragte, Herr Bock- Klein, als Problem, weil er nicht die Sekten bekämpft, sondern die Frommen. Einen untadeligen Pfarrer bringt er mit Unterstützung der Medien so weit, daß dieser seine Pfarrstelle räumen muß. Nach Gesprächen mit einem (anders eingestellten) Priesterfreund und dem gutmütigväterlichen Bischof gibt der Beauftragte nicht nur seine Stelle auf, auch den Priesterrock hängt er an den Nagel. Schließlich bekennt er sich als Freimaurer und bezeugt seinen Unglauben. Versöhnlich soll der Schluß wirken: Herr Bockklein bittet den von ihm so ungerecht behandelten Pfarrer, für ihn vor einer Marienstatue zu beten.

Der Versuch des Autors, Fiktion und Realität miteinander zu verbinden, ist mißlungen, was bereits das untauglichste Mittel der Verknüpfung zeigt: Manche Kapitel sind fiktiv, andere real konzipiert; außerdem scheint manches Kapitel nur aufgenommen zu sein, um etwas aufzuzei- gen (bzw. anzuklagen) - ein dramaturgischer Fortschritt ist jedoch nicht zu finden, im Gegenteil wird er eher behindert. Doch ist eine literarische Würdigung hier eigentlich schon am Ende.

Wenn der Anspruch eines Romans nicht überzeugt - wie jedem Leser schnell deutlich wird, weil dem Autor Analyse ein zentrales Anliegen istdarf gefragt werden, ob zumindest diese gelungen ist. Und in der Tat. Hier ist dem Pallotinerpater recht zu geben: Aus seinem Blickwinkel handelt es sich um eine klare, scharfe Analyse der katholischen Kirche in Deutschland. Aber, wie gesagt: Unter seinem (!) Blickwinkel - und nur aus diesem. Die Brille, durch die Otto Maier beobachtet, ist die Brille des Engelwerks (Opus Angelorum - OA). Die Schlüsselszene dazu findet sich in einem Gespräch zwischen Herrn Bockklein und seinem Bischof, Monsignore Berger (S. 47 f.). Maier läßt den Bischof das OA verteidigen - und zwar genau mit derselben Argumentation, mit der das OA selbst das für sich sehr einschneidende Dekret der vatikanischen Glaubenskongregation von 1992 umgedeutet hat. Dazu sind folgende Anmerkungen wichtig:

  1. Das OA besteht außer vier (juristisch) verfaßten Gruppen aus einer Vielzahl von Gruppen bzw. Einzelpersonen. Opus Angelorum / Engelwerk ist somit eine Sammelbezeichnung einer nicht exakt umrissenen Größe. Wieweit jemand also Mitglied ist oder nicht, ist kaum feststellbar.
  2. Bereits 1983 hatte das OA einige Auflagen der Glaubenskongregation erhalten, da festgestellt wurde, daß bestimmte Praktiken sowohl der Bibel wie der kirchlichen Überlieferung zuwiderlaufen, z.B. die Fernspendung von Sakramenten oder die theologische Einordnung von Engeln. Im Dekret von 1992 wird auf die Auflagen hingewiesen und moniert, daß man sich nicht daran gehalten habe. Die Bestimmungen werden nochmals betont und gleichzeitig der Hintergrund der religiösen Vorstellungswelt des OA als unbiblisch zurückgewiesen. Es folgt die Aufforderung, zur biblisch-kirchlichen Glaubensüberzeugung zurückzukehren.

In der Lesart des OA ist das Dekret jedoch ganz anders zu verstehen: Es sei eine kirchlich-juristische Anerkennung des OA, nur einige Punkte seien kritisiert worden - und daran werde man sich "selbstverständlich" halten. Nach "Bischof Berger" bzw. Otto Maier sind wohl in Übereinstimmung mit der Uminterpretation die "Frommen" bzw. innerhalb der Kirche von den "Modernisten" Verfolgten (denen im übrigen das Buch gewidmet ist) OA-Anhänger bzw. diesen nahestehend. Wer dagegen die Anordnungen der Glaubenskongregation in Erinnerung ruft, ist "Freimaurer" bzw. - wie Christa Meves es in einem anstelle eines Vorwortes abgedruckten Brief formuliert - Marxist, Sex-Liberalisierer und im Endeffekt vom Teufel. Soweit die Charakterisierung des typischen Sektenbeauftragten.

Für den Palottiner Maier befindet sich übrigens fast die gesamte katholische Kirche in Deutschland in den Klauen des Bösen. Der "Beauftragte" ist für ihn symptomatisch und die Klage von Otto Maier ist auch nicht neu: Bereits Mitte der 80er Jahre hat sich der Ordensmann mit seinem "Kreis Katholischer Priester " bei den deutschen Bischöfen darüber beschwert, daß junge Männer mit dem wahren katholischen Glauben diesen in deutschen Priesterseminaren verleugnen müßten 1..

Ist "Der Beauftragte" also ein gutes, wichtiges, überflüssiges &oder auml;rgerliches Buch? Es ist vor allem ein demagogisches Werk, in dem der Autor die derzeit wirklich herrschende Kirchenkritik für seine Zwecke ausnützt, die angeblich innerkirchlich Verfolgten versucht zu Märtyrern zu machen und Kritiker einer bibelfremden Theologie als Ungläubige bezeichnet. "Der Beauftragte" ist eine Symptombeschreibung der Zerrissenheit der katholischen Kirche: Nur: hier ruft der Dieb (!) "Haltet den Dieb!". Maier und seinem Umfeld kann man den Vorwurf nicht ersparen, maßgeblich an der Kirchenkrise mitgewirkt zu haben - und sei es "nur" die Untergrabung bischöflicher Autorität.

Entsprechend bejubelt wurde das Buch aus dem entsprechenden Umkreis, z.B. von Claus Peter Clausen 2: "Alle diejenigen, die von der modernistischen Kirche als 'Fundamentalisten' oder 'Sektierer' gekennzeichnet worden sind, werden hier zum erstenmal nachlesen können, was sich hinter den Kulissen bischöflicher Ordinariate abspielt. Am Werke sind Großinquisitoren einer anderen Kirche, die nicht mehr die katholische ist." Alfons Sarrach hat gar einen katholischen Sektenbeauftragten namentlich genannt und ihn in direkte Beziehung zum "Beauftragten" gebracht. 3 Eigentlich verdiente das Buch keine Besprechung (Selbstverständ- nis, Arbeitsweisen und kirchliche Beauftragung eines Sektenbeauftragten entsprechen sowieso nicht dem, was Maier darlegt) jedoch ist zu befürchten, daß damit viel Unheil angerichtet wird.


Anmerkungen:

1 Kreis katholischer Priester. Zur gegenwärtigen Situation der Katholischen Kirche in Deutschland. Neustadt o.J. (ca. 1985)

2 Claus Peter Clausen: Der schwarze Brief Nr. 1/1995, S. 4

3 Alfons Sarrach: Der Christ von morgen Nr. 21 (45) vom 3.2.1995 S. 2 Otto Maier: Der Beauftragte. Zum Zeitgeschehen eine Analyse. - Statt eines Vorwortes: Briefwechsel mit Christa Meves - Erschienen im FE-Medienverlag Kisslegg 1994, ISBN 3-928929-05-4, Versand durch: Kreis katholischer Priester, Im Hassert 11, 67146 Deidesheim, Fon: 06326/ 5911, Preis 13,- DM


Hubert Kohle

Dipl.Theol. Hubert Kohle leitet die Beratungsstelle für Religions- und Weltanschauungsfragen der Diözese Augsburg.

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