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BERLINER DIALOG 14, 3/1998 - Advent

Stichwort: Holosophische Gesellschaft Deutschland
von Eduard Trenkel

Eigentlich wirkte er eher unauffällig, der Hinweis in der HNA vom 13. August 1998, mit dem die Holosophische Gesellschaft Deutschland zu einer Veranstaltung unter dem Thema "Sehnsucht der Seele" für den Herbst 1998 in das Philipp-ScheidemannHaus, Raum 105 einlud. Kaum jemand, der die Einladung las, konnte ahnen, daß sich hinter der Holosophischen Gesellschaft Deutschland eine Organisation der Thakar-Singh-Bewegung verbirgt, einer ausgesprochen konflikt-trächtigen Gurubewegung, die vor allem wegen ihrer Kinder-meditationen Aufsehen erregt hat.

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Pfarrer Eduard Trenkel
ist Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen
der Evangelischen Kirche von Kurhessen Waldeck (Foto: privat)

Diese Bewegung geht zurück auf Thakar Singh, geboren am 26. 3. 1926 in einem Dorf im indischen Punjab. Er wächst in der Tradition des Sikhismus auf, einer um 1500 gegründeten Religion, deren heilige Schrift "Adi Granth" (Herr Buch) angeredet wird.
Thakar Singh, als Wasserbauingenieur lange Jahre im indischen Staatsdienst tätig, lernt den Guru Sant Kirpal Singh kennen und es wächst in ihm die Überzeugung, wirkliches Heil könne nicht aus einem Buch geschöpft werden, nur ein "lebender Meister" könne zum Heil führen. Er wird Schüler des gefundenen, "lebenden, perfekten Meisters" und nach dem Tode Kirpal Singhs ruft er sich selbst als dessen Nachfolger aus.
Als Lehrer des Surat Shabt Yoga führt Thakar Singh durch Öffnen des "Dritten Auges" zum Erleben des "Inneren Tons" und des "Inneren Lichts".

Ton und Welle
Auf einer Werbeseite im Internet heißt es dazu: "Bei der ersten Meditation des Schülers, der Initiation, stellt der kompetente Meister die Verbindung zu dem Energiestrom wieder her, an dessen Endpunkt das vollkommene Bewußtsein, Gott, steht. Der Schüler erlebt diese Verbindung mit dem Energiestrom als innere Erfahrung von Licht und Ton, je nach persönlichem Entwicklungsgrad in unterschiedlicher Art.
'Licht' kann tatsächlich Licht sein, aber auch realistische Gegenstände, Gestirne, Heilige usw.; 'Ton' kann Geräusch, Töne oder Musik usw. sein. Beides sind Erfahrungen im Inneren."
Nach der Initiation soll der Schüler "jeden Tag etwa drei Stunden" meditieren und über seine Meditationserfahrungen ein Tagebuch führen, das der Organisation zur Kontrolle vorgelegt werden soll: "Drei Stunden sind etwa zehn Prozent von 24 Stunden, und auch ein im Alltagsleben sehr eingespannter Schüler wird diese Zeit für die Meditation einsetzen können".

Meditation als Mißhandlung
Bereits im Juni 1993 wurde in einer kritischen Fernsehsendung auf weitergehende Praktiken hingewiesen, die auf direkte Anweisungen Thakar Singhs vorgenommen wurden:
Kindern und Säuglingen wurde das rechte Ohr mit einer Silikonmasse ausgegossen und eine Binde über die Augen gelegt, um sie zu mehrstündigen Meditationen "anzuleiten".
Durch die Anzeige einer couragierten Hebamme, die in einem bayerischen Meditationszentrum zu Hausgeburten gerufen wurde, kam ans Tageslicht, daß ein damals etwa zweijähriges Kind
"mit allen Mitteln wachgehalten und gezwungen, (wurde) täglich bis zu 19 Stunden sitzend zu meditieren", so ein Bericht in der Presse. Die Eltern des Kindes wurden vom Amtsgericht Starnberg wegen Kindesmißhandlung verurteilt.
Auch wenn nach Angaben deutscher Repräsentanten die "Hilfsmittel" Silikonstöpsel und Augenbinde nicht mehr gebraucht werden sollen, wird die Meditation doch als große Hilfe für die Kinder dargestellt, sie sollen ohne Gewalt, aber mit Liebe an sie herangeführt werden.
Ein Kollege, der ein Meditationszentrum Thakar Singhs in Indien besuchte, erlebte allerdings einen wenig liebevollen Umgang. Dort wurden weiterhin mehrere Dutzend Kinder mit verbundenen Augen von der Außenwelt abgeschirmt und zur "Meditation" gezwungen.
"Diese Kinder sollen einmal die gesamte Welt verändern, denn sie werden nicht unter der Herrschaft der negativen Macht stehen".

Perfekte Skandale
Ein ehemaliger hochrangiger Anhänger Thakar Singhs, der Fernsehjournalist Wulfing von Rohr prangerte 1984 weitere Skandale des "Meisters" an: während er seinen Schülern sexuelle Enthaltsamkeit und asketische Lebensweise predigt, kam es durch ihn selbst zu sexuellen Übergriffen gegenüber Schülerinnen, wofür er "Verführungen des Teufels" verantwortlich machte.
Und der "Spiegel" berichtete 1993 von einem ungeklärten Todesfall. Eine psychisch kranke Münchenerin kam in einem indischen Meditationszentrum bei einem vom "Meister" vorgenommenen Exorzismus zu Tode.
Nachdem die Thakar Singh Bewegung durch all diese Skandale in die öffentliche Kritik geraten war, wurde 1992 die "Holosophische Gesellschaft Deutschland e. V., Verein zur Förderung des ganzheitlich heilen Menschen" gegründet.

Stand: 15. 11. 1998
Nachdruck: Bitte fragen Sie an, wir können Sie dann ggf. über neueste Veränderungen informieren.
Erforderlich ist in jedem Falle der Quellenhinweis: "Aus BERLINER DIALOG 3-98, (c) 1998
Pfarrer Eduard Trenkel, Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen
der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck
Wilhelmshöher Allee 330, 34131 Kassel, Fon: 0561-93 78 243, Fax: 0561-93 78 424"


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