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BERLINER DIALOG 18-19, 3/4-1999 - Epiphanias 2000

Gebrauchskirche e.V.
Clevere Geschäftsidee: Falsche Pastoren gaben teuere Segen
Bericht von Thomas Gandow

Als "Pastor" bezeichneten sich vier Mitarbeiter der "Gebrauchskirche e.V." und boten ihre Dienste bei Bestattungen gegen Bezahlung an. Der Sektenbeauftragte der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg erstattete Anzeige gegen den Anführer der "Gebrauchskirche e.V.", Hartmut Fels sowie seine Mitarbeiter. Denn "Pastor" ist eine geschützte Amtsbezeichnung (§ 132 StGB).

Im Zusammenhang mit dem "Berliner Bestatterskandal" von 1997 hatte die "Berliner Morgenpost" aufgedeckt, daß Beerdigungsinstitute "als Pfarrer verkleidete Redner mit Traueransprachen" beauftragen. In dem Bericht heißt es:
"Diese treten in Talar und Bäffchen [gemeint das "Beffchen", der zum schwarzen Talar gehörige kleine weiße Brustkragen der Amtstracht eines ev. Geistlichen - T.G.] auf, sind aber keine Pastoren. Die Angehörigen ahnen von diesem "Etikettenschwindel" offenbar nichts. In diesem Zusammenhang wird die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin demnächst Anklage erheben (Gesch.-Nr. 54 Js 2932/96)."
Der Bericht wies darauf hin, daß die Trauerreden von echten Pfarrern und Pastoren die Angehörigen nichts kosten. Die Rednervereinigung der sogenannten Gebrauchskirche dagegen nahm für die Friedhofsansprachen deftige Honorare.

Trauerhilfe gegen Provision
Trauerhilfe gegen Provision"Die Höhe ist von Bestatter zu Bestatter unterschiedlich", sagte der "Gebrauchskirchen"-Chef Hartmut Fels 1997 zur Berliner Morgenpost. "Unsere Aufträge erhalten wir zu 99 Prozent von den Bestattern. Als Provision überweisen wir 25 Prozent des Honorars an sie zurück." Ermittelt wurde dann wegen 'Mißbrauchs von Titeln', denn die Amtsbezeichnung "Pastor" sei geschützt. Fels räumte gegenüber der Zeitung ein, daß ein Teil seiner 'Pastoren' nicht einmal ein Theologiestudium abgeschlossen habe und sein Verein auch kein Kirchengebäude habe, berief sich aber auf die Religionsfreiheit.
Tatsächlich ist Fels aus der Freikirche "Kirche des Nazareners" aus persönlichen Gründen ausgeschieden und verlor dabei auch seine Ordinationsrechte.

Auch der in die Jahre gekommene "Jesus-People"-Prediger und "self-made" Reverend Volkhard Spitzer, zeitweilig Leiter des "Christlichen Zentrums Berlin" (CZB), wirkte beim Mummenschanz der "Gebrauchskirche" als falscher Pastor mit, nachdem er ebenfalls aus persönlichen Gründen aus seiner pfingstlerischen Missionsgemeinschaft ausscheiden mußte.

Frank Hauke kommentiert in der "Berliner Morgenpost" vom 20.3.97 unter der Überschrift Mummenschanz: "Sind der Geldgier von einigen Bestattungsunternehmen noch Grenzen gesetzt? ... Da engagieren Bestatter hinter dem Rücken von Angehörigen, die eine kirchliche Beerdigung wünschen, nur einen Redner der sogenannten 'Gebrauchskirche'. Dafür kassieren sie Provision. Die kirchliche Bestattung wird perfekt und eiskalt gefälscht. Der Redner nennt sich Pastor, bei der Trauerfeier schlüpft er in einen Talar. Aber es ist nur ein Schauspieler. Die Trauerfeier verkommt zum Schwank. Wenn das Wort 'widerlich' angebracht ist, dann hier."

Es gab allerdings einen einzigen Beteiligten, der den Titel 'Pastor' möglicherweise, wenn auch in anderem Zusammenhang, zu Recht trug. Gemeint ist Johannes W. Matutis von der "Gemeinde Gottes" im Wedding, einer extrem pfingstlerischen Gruppierung, die das Gebäude der Neuen Nazarethkirche in Wedding vom Berliner Senat gekauft hat. Matutis ist tatsächlich von dieser pfingstlerischen Freikirche "ordiniert". Er hatte seine Mitarbeit bei Gebrauchskirche und Rednervereinigung, durch die er ein Zubrot verdiente, aufgekündigt, als die Sache Anfang 1997 in die Öffentlichkeit kam.

Etikettenschwindel
EtikettenschwindelGegenüber der Berliner Morgenpost hat Matutis seine schließlichen Erkenntnisse so formuliert: "Ich weiß, daß Redner, die gar keine Pastoren sind, im Talar auftreten. Das ist Etikettenschwindel. Amtskirche bleibt Amtskirche."
Die Morgenpost führte damals aus: "Die Mitglieder des Vereins 'Gebrauchskirche', der vom Ökumenischen Rat Berlin nicht anerkannt wird, halten rund 200 Reden im Monat. Einer der Hauptauftraggeber ist die Inhaberin eines Bestattungsinstitutes, die mit dem Chef der Rednervereinigung verheiratet ist". Dazu Matutis: "30 bis 50 Aufträge monatlich laufen über dieses Unternehmen. Die Dame schreibt auch die Rechnungen. Dadurch hat sie Einblick in diverse Geschäftspraktiken der einzelnen Bestatter."
Es sei für Bestattungsinstitute - von der Provision abgesehen - auch organisatorisch einfacher, so Matutis, direkt bei der Rednervereinigung anzurufen als bei einer Kirche, weil "richtige" Pastoren öfter Terminprobleme hätten. Die "Gebrauchskirche" dagegen versprach ihrem Prospekt: "Unser Büro garantiert Ihnen zuverlässige Terminabsprachen mit einem Telefonat".

Der Prozeß kam ins Rollen, weil der § 132a des Strafgesetzbuches (StGB) untersagt "Inländische oder ausländische Amts- und Dienstbezeichnungen" ohne Berechtigung zu führen. Das gilt auch für die kirchlichen Amtsbezeichnungen "Pastor" und "Pfarrer" und für die Amtstracht der Kirchen, im Falle der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg Talar und "Beffchen". Eine Anklage in dieser Sache war keine Frage der Betroffenheit der Ev. Kirche; die Straftat des Mißbrauchs vom Amtsbezeichnungen und Amtstracht ist ein Offizialdelikt. Auch der finanzielle und steuerliche Aspekt der Angelegenheit ist interessant: Die Angeklagten traten allein im Jahr 1997 bei 2.412 Beerdigungen in Berlin auf. Damit hat die "Gebrauchskirche" einen Umsatz von mindestens 450.000,- DM gemacht.
Die vier Beteiligten sahen sich allerdings zu Unrecht strafrechtlich verfolgt. Sie gingen soweit, sich auch noch bei der Verhandlung als "freikirchlich" darzustellen und behaupteten, innerhalb ihrer "Freikirche" ordnungsgemäß ordiniert worden zu sein. Für ihren Finanzierungstrick beanspruchten sie "Religionsfreiheit". Die "Morgenpost" vom 2.10.99 schreibt dazu: "Für den Richter ist die Sachlage klar... Mitarbeiter einer Wachschutzfirma dürften sich auch nicht Polizeihauptmeister nennen, nur weil sie in einer Diskothek für Ruhe und Ordnung sorgen".
Der Staatsanwalt stellte das Strafverfahren schließlich gegen die Zahlung einer Geldbuße (Fels: 4000,- DM, drei andere Beteiligte jeweils 3000,- DM) ein. Im Gegenzug müssen die Trauerredner der "Gebrauchskirche" ab sofort auf das Tragen von Talaren und den vertrauenerweckenden Pastorentitel auf der Visitenkarte verzichten.

(Mitverwandte Quellen: Berliner Morgenpost, Berliner Kurier und BZ vom 2.10.1999; für den Rückblick: Berliner Morgenpost vom 20.3.1997)


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