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BERLINER DIALOG 23, 4-2000 Epiphanias 2001

 DIALOG & APOLOGETIK

Stichwort: Neuapostolische Kirche
von Rüdiger Hauth

Vorgeschichte
Die "Neuapostolische Kirche" ist aus der in den 30er Jahren des 19.Jahrhunderts in England entstandenen "Katholisch-apostolischen Gemeinde" hervorgegangen. Diese wiederum entstand aus einem von dem Londoner Bankier Henry Drummond (1786-1860) geleiteten und an endzeitlichen Fragen interessierten Studienkreis, der sich jährlich auf Drummonds Landgut in Albury (südwestlich von London) traf. Zu diesem Kreis gehörte als Geistlicher auch der anglikanische Pfarrer Edward Irving, nach dem die Gruppierung auch den Namen "Irvingianer" trug. Auf Albury wurden zwischen 1832 und 1835 zwölf "Apostel" und sieben "Propheten" zum Dienst an den verschiedenen "Stämmen" der Christenheit berufen, die davon überzeugt waren, daß zu ihren Lebzeiten Jesus Christus wiederkommen würde. Sie wurden 1835 ausgesandt, die Christenheit auf die Wiederkunft vorzubereiten. Als 1855 drei "Apostel" verstarben, räumten die verbliebenen "Apostel" ein, sich im Ratschluß Gottes geirrt zu haben, und keine "Apostelnachwahlen" zu veranstalten.

Entstehung
Der "Prophet" der Berliner katholisch-apostolischen Gemeinde, Heinrich Geyer (1818-1896), wollte die Entscheidung der englischen Führung, keine neuen Mitglieder in das "Apostelkollegium" nachzuwählen, nicht akzeptieren. Nachdem er 1860 eigenmächtig zwei "Apostel" berufen und die Aufforderung des Kollegiums, diesen Vorgang rückgängig zu machen, nicht beachtet hatte, wurde er aus der Gemeinde ausgeschlossen. Mit einigen Glaubensfreunden aus Berlin und Hamburg gründete H. Geyer 1863 die "Allgemeine Apostolische Mission", von der er sich 1878 nach harten Auseinandersetzungen trennte. Im Laufe der folgenden Jahre wuchs bei dieser "Mission" die Zahl der "Apostel", die zwar einen "Apostelring" bildeten, aber keine zentrale Leitung aufwiesen.

Entwicklung
Diese Struktur änderte der als "Apostel" für den Bezirk Braunschweig zuständige Bahnmeister Friedrich Krebs (1832-1905). 1896 führte er den Titel "Stammapostel" ein - nicht mehr im Sinne des Dienstes an einem "Stamm" der Christenheit, sondern im Sinne eines "Hauptapostels". Er ließ sich selbst ein Jahr später von seinen Kollegen als solcher bestätigen.
1905 übernahm der aus Steinhagen (b. Bielefeld) stammende Landwirt Hermann Niehaus (1848-1932) dieses Amt. Unter seiner Führung benannte das "Apostel-Kollegium" 1907 die bisherige "Mission" in "Neuapostolische Gemeinde" um; seit etwa 1930 nennt sie sich "Neuapostolische Kirche". Niehaus' Nachfolger wurde 1930 Johann Gottfried Bischoff (1871-1960). Er hatte 1951 behauptet, er werde nach dem Ratschluß Gottes nicht sterben, sondern die Neuapostolische Kirche als "Brautgemeinde" "dem Herrn entgegenführen". Diese kurz als "Botschaft" bezeichnete Lehre wurde zu einem wesentlichen Bestandteil und Prüfstein des neuapostolischen Glaubens in den 50er Jahren. Bischoff starb am 6. Juli 1960. Einen Monat später wurde Walter Schmidt (1891-1081) aus Rummenohl b. Hagen zum neuen "Stammapostel" gewählt. Ihm folgten in diesem Amt die Schweizer Ernst Streckeisen (1905-1978), Hans Urwyler (geb. 1925) und 1988 Richard Fehr (geb. 1938).

Organisation und Verbreitung
Seit 1975 befindet sich die internationale Verwaltung der Neuapostolische Kirche in Zürich. In Deutschland gibt es etwa 445.000 Mitglieder; weltweit sollen es einige Millionen sein. Sie werden von zur Zeit rund 290 "Aposteln" betreut. Die Ämter sind heute gegliedert in Stammapostel - Bezirksapostel - Apostel - Bischof - Bezirksältester - Bezirksevangelist - Hirte - Gemeindeevangelist - Priester - Diakon - Unterdiakon.

Lehre
Die Neuapostolische Kirche versteht sich als "göttliche Einrichtung" und als "wiederaufgerichtetes Erlösungswerk des Herrn", in dem "das von Jesus begonnene Erlösungswerk durch die von ihm gesandten Apostel vollendet wird". Dieses Selbstverständnis weist auf die zentrale Lehre vom "Apostelamt" hin, das eine heilsvermittelnde Funktion hat. Der "Stammapostel" gilt für die Neuapostolischen als der "Repräsentant des Herrn auf Erden". Er kennt als einziger den Willen Gottes, da nur er und seine "Apostel" "berufen und fähig" sind, die Bibel zu verstehen und auszulegen. - Den "Aposteln" ist, nach eigenem Verständnis, der Heilige Geist exklusiv anvertraut, den sie im "Sakrament der Versiegelung" spenden. Erst Taufe und "Versiegelung" zusammen bilden, nach Auffassung der Neuapostolische Kirche, ein vollständiges Ganzes.
Eine besondere Lehre vertritt die Neuapostolische Kirche auch zur Bedeutung des Stammapostels für bereits Verstorbene: "Den Entschlafenen wird sonntäglich durch Apostel das Heilige Abendmahl gereicht" (Fragen und Antworten, 249). Dreimal im Jahr, jeweils am 1. Sonntag im März, Juli und November, finden besondere "Entschlafenengottesdienste" statt bei denen diesen die Vergebung der Sünden gewährt wird und sie auch getauft werden können.

Beurteilung
Die Neuapostolische Kirche ist den klassischen christlichen Sekten zuzurechnen. Das dort errichtete "Apostelamt" unterscheidet sich nach Struktur und Inhalt von den neutestamentlichen Aposteln und ist als unbiblisch zu bewerten. Zudem stellt das Amt des "Stammapostels" eine zweite Glaubensquelle neben der Bibel dar; zumindest in der Glaubenspraxis ist dieses Amt der Bibel vorgeordnet.

Eine Zusammenarbeit zwischen den Kirchen der Ökumene und der Neuapostolischen Kirche ist nicht möglich, auch wenn es in der letzten Zeit von Seiten der Neuapostolischen Kirche spekulative Äußerungen über eine Annäherung an die christlichen Kirchen gibt.

Pfarrer Dr. Rüdiger Hauth (61)
ist Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen
der Evangelischen Kirche von Westfalen.
Postfach 101061, D-44010 Dortmund

Dr. Rüdiger Haut


Dokumentation: Das Glaubensbekenntnis der Neuapostolischen Kirche

1. Glaubensartikel: Ich glaube an Gott den Vater, den allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erden.
2. Glaubensartikel: Ich glaube an Jesum Christum, Gottes eingeborenen Sohn, unseren Herrn, der empfangen ist von dem Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben, begraben, eingegangen in das Reich der Entschlafenen, auferstanden von den Toten, aufgefahren gen Himmel, sitzend zur rechten Hand Gottes, des allmächtigen Vaters, von dannen er wiederkommen wird.
3. Glaubensartikel: Ich glaube an den Heiligen Geist, eine heilige Apostolische Kirche, die Gemeinde der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und ein ewiges Leben.
4. Glaubensartikel: Ich glaube, daß der Herr Jesus seine Kirche durch lebende Apostel regiert bis zu seinem Wiederkommen, daß er seine Apostel gesandt hat und noch sendet mit dem Auftrag, zu lehren, in seinem Namen Sünden zu vergeben und mit Wasser und dem Heiligen Geist zu taufen.
5. Glaubensartikel: Ich glaube, daß sämtliche Ämter in der Kirche Christi nur von Aposteln erwählt und in ihr Amt eingesetzt werden und daß aus dem Apostelamt Christi sämtliche Gaben und Kräfte hervorgehen müssen, auf daß, mit ihnen ausgerüstet, die Gemeinde ein lesbarer Brief Christi werde.
6. Glaubensartikel: Ich glaube, daß die Heilige Taufe mit Wasser ein Bestandteil der Wiedergeburt ist und der Täufling dadurch die Anwartschaft zur Empfangnahme des Heiligen Geistes erlangt. Sie ist ferner der Bund eines guten Gewissens mit Gott.
7. Glaubensartikel: Ich glaube, daß das Heilige Abendmahl zum Gedächtnis an das einmal gebrachte, vollgültige Opfer, an das bittere Leiden und Sterben Christi, vom Herrn selbst eingesetzt ist. Der würdige Genuß des Heiligen Abendmahls verbürgt uns die Lebensgemeinschaft mit Christo Jesu, unserem Herrn. Es wird mit ungesäuertem Brot und Wein gefeiert; beides muß von einem priesterlichen Amt der Kirche gesegnet und gespendet werden.
8. Glaubensartikel: Ich glaube, daß die mit Wasser Getauften durch einen Apostel zur Erlangung der Gotteskindschaft den Heiligen Geist empfangen müssen, wodurch sie als Glieder dem Leibe Christi eingefügt werden.
9. Glaubensartikel: Ich glaube, daß der Herr Jesus so gewiß wiederkommen wird, wie er gen Himmel gefahren ist, und die Toten in Christo sowie die lebenden Brautseelen, die auf sein Kommen hofften und zubereitet wurden, verwandelt und zu sich nimmt, daß er nach der Hochzeit im Himmel mit diesen auf die Erde zurückkommt, sein Friedensreich aufrichtet und sie mit ihm als Könige und Priester regieren. Nach Abschluß des Friedensreiches wird er das Endgericht halten, wo alle Seelen, die nicht an der Ersten Auferstehung teilhatten, ihr Teil empfangen, wie sie gehandelt haben, es sei gut oder böse.
10. Glaubensartikel: Ich glaube, daß ich der weltlichen Obrigkeit zum Gehorsam verpflichtet bin, soweit nicht göttliche Gesetze dem entgegenstehen.

Literatur zur NAK
Auswahl: Dialog Zentrum Berlin
-
Dannwolf, Siegfried / Gerbert, Joachim / Stöhr, Bernd: Raus aus dem Bann von Stuttgart, Lachesis-Verlag, 1995, ISBN 3-9804076-1-6, 75 Seiten, ca. DM 14,80.
- Dannwolf, Siegfried: Gottes verlorene Kinder. Ein Ex-Priester der Neuapostolischen Kirche klagt an, Gütersloh, 1996, GTB 1131, ISBN 3-579-01131-6, 160 S., ca. DM 24,80.
- Eggenberger, Oswald: Die Neuapostolische Gemeinde. Ihre Geschichte und Lehre dargestellt und beurteilt, Beiträge zur ev. Theologie, Bd. 18, hg. v. E. Wolf, München 1953.
- Eggenberger, Oswald: Neuapostolische Kirche, in: Lexikon der Sekten, Sondergruppen und Weltanschauungen, hg. v. Hans Gaspar, Joachim Müller und Friederike Valentin, Freiburg 1994, S. 727-730.
- Haack, Friedrich Wilhelm: Neuapostolische Kirche, München, Evangelischer Presseverband Bayern, 7. Aufl. 1996 (80 Seiten) ISBN 3-583-50617-0, DM 6,50.
- König, Michael und Marschall, Jürgen: Die Neuapostolische Kirche in der N.S.-Zeit und die Auswirkungen bis zur Gegenwart 2.Aufl. 1994 (70 Seiten) Bestell-Adresse: Garatshausen 17, 92340 Feldafing, Tel. 08158/8091, Fax 08158/8096
- Kranefeld, Sylvia: Sekten, Aufklärung statt Therapie. Ein Blick hinter die Fassade der Neuapostolische Kirche, Worms Verlag, The World of Books, 1994, (127 Seiten) ca. DM 24,80.
- Obst, Helmut: Apostel und Propheten der Neuzeit. Gründer christlicher Religionsgemeinschaften des 19./20. Jahrhunderts, Göttingen 2000 (4. Stark erweiterte und aktualisierte Auflage).
- Schröter, Johannes Albrecht: Die Katholisch-apostolischen Gemeinden in Deutschland und der "Fall Geyer”, 610 Seiten, ca. 49,80 DM, 1998 (2. Auflage), Tectum Verlag Marburg ISBN 3-8288-9014-8.
- Siegel, Karl Eugen: Der Repräsentant des Herrn oder die Lebensbeschreibungen der neuapostolischen Stammapostel. Das Stammapostelamt in der Neuapostolischen Kirche, Stuttgart, Lachesis-Verlag, 1995, ca. DM 24,80.
- Stoffel, Olaf: Angeklagt: Die Neuapostolische Kirche. Erfahrungen eines Aussteigers von Gütersloher Verlagshaus, ISBN 3579011391, ca. DM 24,80.
- Waschk, Michael: Das innerkirchliche Recht und die Organisation der Neuapostolischen Kirche Bayern mit den Bezügen zum Staatskirchenrecht, 185 S., ca. DM 100,00; Shaker Verlag, 1997, ISBN 3826555538.

Internet-Links:
http://www.nak.org    Offizielle Seite der NAKI
http://www.nak.de    Offizielle Seite der NAK in Deutschland
http://www.nak.de/bayern/home.html   Offizelle Seite der NAK in Bayern
http://www.nak.de/bayern/text/p_2_0.html   und
http://www.nak.de/bayern/text/p_2_0a.html   Verfassung der bayrischen NAK)
http://www.naki.de   kritisch
http://www.nak-info.de/index.html   Übersichtliche, umfassende kritische Seite
http://www.regenbogen-nak.de   Homosexuelle Christen in der NAK
http://members.aol.com/nakww/nakesra.htm    zum 4. Buch Esra
http://home.datacomm.ch/fdrj   Innere NAK-Opposition, Dr. Meier-Widmer
http://www.geocities.com/Athens/Olympus/8059/index.html   (dito)
http://home.t-online.de/home/sgotzai/index.htm   Dokumente über KAPG und NAK
 


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