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BERLINER DIALOG 26, 1-4 2002 - Epiphanias 2003

 DEUTSCHLAND

Neuapostolische Kirche (NAK) im Wandel ?

In unserem Stichwort zur Neuapostolischen Kirche im Berliner Dialog 4-2000, S. 4-5
( http://www.religio.de/dialog/400/23_04-05.htm ) hatte Dr. Rüdiger Hauth festgestellt:
"Eine Zusammenarbeit zwischen den Kirchen der Ökumene und der Neuapostolischen Kirche ist nicht möglich, auch wenn es in der letzten Zeit von Seiten der Neuapostolischen Kirche spekulative Äußerungen über eine Annäherung an die christlichen Kirchen gibt."

Kirchliche Sektenbeauftragte, aber dann auch Bischöfe und Leitungsorgane der Evangelischen Landeskirchen erhielten nun Zusendungen der Neuapostolischen Kirche (NAK), in denen auf eine ökumenische Öffnungsbereitschaft der NAK verwiesen wurde. Die Zielrichtung ist dabei wohl eine Doppelte: Einerseits geht es um öffentliche Imagepflege der NAK angesichts einer kritischen Öffentlichkeit, andererseits geht es darum, interne Kritik an der Selbstisolierung der NAK und der trotz aller Anstrengungen stagnierenden Entwicklung der NAK durch eine solche "ökumenische Wendung" aufzunehmen oder - was wahrscheinlicher ist - "abzufedern".

Schwierigkeiten in der "apostolischen" Zusammenarbeit
Erhebliche Bemühungen in den letzten zwei Jahren zur Schaffung einer "innerapostolischen" Zusammenarbeit all der (neu-) apostolischen Gemeinschaften, Sekten und Splittergruppen sind anscheinend gescheitert: Einerseits mußte die NAK-Führung und damit auch ein Teil der Mitglieder erfahren, daß andere Gruppierungen aus dem (neu-) apostolischen Spektrum bereits wesentlich stärker ökumenisch akzeptiert sind - z.B. ist das Apostelamt Jesu Christi inzwischen Gastmitglied der Bundes-ACK.
Andererseits aber stellte sich heraus, daß einige der apostolischen Splittergemeinden sich inzwischen weit von allen traditionellen christlichen Gemeinsamkeiten entfernt haben. So lehnt die Apostolische Gemeinde des Saarlands (AGdS) die klassische Trinitätslehre als Grundlage für jeden weiteren Dialog ab.
Laut Protokoll eines ersten "Konzils der apostolischen Gemeinschaften" im September 2000 sieht Apostel Schmidt (AGdS) das Glaubensbekenntnis von Nicäa vielmehr als einen politischen Kompromiss und hält auch "wenigstens" den zweiten Glaubensartikel für falsch.
Zur Untermauerung ihrer Kritik am Apostolikum wiesen die Vertreter der AGdS darauf hin, dass das Apostolikum weder von den Uraposteln verfasst worden sei noch deren Glaubensüberzeugung wiedergebe, berichtet M. Koch am 2. Juli 2001 in dem NAK-nahen, aber nicht offiziellen Internet-Nachrichtendienst "Glaubenskultur" ( http://www.glaubenskultur.de ).
Eine gewisse Skepsis gegenüber dem Apostolischen Glaubensbekenntnis findet sich auch in einer offiziellen Auseinandersetzung der NAK mit dem Sektenvorwurf. ( http://www.nak.org/le/le-d-0004-2.html ). Zur Erklärung der "Abweichung der Lehre von den Glaubensbekenntnissen aus der Frühzeit des Christentums" wird u.a. angeführt, die ersten drei Glaubensartikel der NAK seien "weitgehend wortgleich mit dem sogenannten ‚Apostolischen Glaubensbekenntnis', welches jedoch "in seiner endgültigen Form wohl frühestens im 5. Jahrhundert vorlag".

Schwierigkeiten mit der Ökumene
"Stammapostel" Fehr setzte bereits im Oktober 1999 eine Projektgruppe ein, die sich aus den Aposteln V. Kühnle, W. Nadolny sowie Bischof H.-D. Marwede und Bezirksevangelist P. Johanning zusammensetzt. Die NAK betonte in der dem eingangs erwähnten Schreiben an die Kirchenleitungen beigelegten Zeitschrift "Unsere Familie" vom 9. Mai 2001 unter dem Stichwort "Neuapostolische Kirche und Ökumene", der Auftrag dieser Projektgruppe sei es, "zu prüfen, inwieweit heute auf der Basis der versöhnten Verschiedenheit und unter Wahrung ihrer Identität eine Mitwirkung der Neuapostolischen Kirche in der Ökumene möglich ist. ... Nicht zuletzt aufgrund der geschichtlichen Entwicklung, auch in unserer Kirche, ist ein Ergebnis im Augenblick noch nicht absehbar. Ausdrücklich betonen wir: Bei all diesen Überlegungen lassen wir uns von unserer neuapostolischen Identität und unserem glaubensmäßigen Profil leiten." (S. 27)

Lehrmäßige Verschiedenheiten
Bisherige neuapostolischen Identität und glaubensmäßiges Profil aber zeigen, daß die NAK immer noch nicht ökumenefähig ist. Bestehende Hindernisse sind
 das exklusive Selbstverständnis der NAK als Endzeit- und Schlußkirche,
 die Lehre vom "wiederaufgerichteten" Stammapostelamt und Apostelamt, das heilsvermittelnde Funktion hat, da die Amtsinhaber die "mit der Führung des Erlösungswerkes auf Erden von Christo beauftragten Boten" seien,
 das "Sakrament" der Versiegelung,
 das eigene, umfängliche Glaubensbekenntnis der NAK (letzte Fassung dokumentiert in Berliner Dialog 4-2000, S.5 ( http://www.religio.de/dialog/400/23_04-05.htm ) sowie weitere Sonderlehren wie z.B. die Lehren vom "Leben nach dem Tode" und über das "Entschlafenenwesen".

Diese Lehren waren erst 1992 in einer revidierten Ausgabe der Katechismusschrift: "Fragen und Antworten über den neuapostolischen Glauben" zum Teil neu formuliert oder bekräftigt worden. Ihre nunmehrige Revision wäre die notwendige Voraussetzung für ein sinnvolles Gespräch mit den Kirchen der Ökumene, was aber faktisch die Selbstaufgabe der NAK bedeuten würde. Dennoch versucht die NAK-Führung den Spagat der Einigung unter den neu-apostolischen Splitter- und Schwestergruppen einerseits, den Kirchen der christlichen Ökumene in Deutschland andererseits.

Aus der Schlüsselgewalt wird ...
Mit der Sondernummer 3 der ( internen) LEITGEDANKEN ZUM GOTTESDIENST vom März 2001 revidierte die Neuapostolische Kirche dann tatsächlich ihre traditionelle Lehre der "Schlüsselgewalt" des Stammapostels speziell was die sogenannte Entschlafenenarbeit betrifft:
"Die jenseitigen Bereiche sind durch das einmal gebrachte und ewig gültige Opfer Jesu Christi geöffnet. Sein Opfer macht jeder heilsverlangenden Seele den Zugang zur Erlösung frei. Es besteht keine zwingende Notwendigkeit, die Zugänge zum Altar und zum Reich Gottes durch ein besonderes Gebet des Stammapostels vor einem Gottesdienst für Entschlafene aufzuschließen."
"Sorgfältig aus der Heiligen Schrift entwickelte Gedanken" hätten dazu geführt, sich von der traditionellen Lehre zu verabschieden, nach der dem Stammapostel vor dem "Gottesdienstes für die Entschlafenen" - in dessen Rahmen Verstorbenen der Empfang von Sakramenten ermöglicht wird - die Aufgabe zukommt, verlangenden Seelen den Zugang zum irdischen Altar zu ermöglichen.
Im Rahmen dieser Neuerung wird der Begriff "Schlüsselgewalt" abgeschafft bzw. neu interpretiert und durch den Begriff der "Schlüsselvollmacht" ersetzt.

... die Schlüsselvollmacht zum "Verkündigen neuer Geistesoffenbarungen"
Allerdings wird der neue Begriff von der NAK weit ausgelegt: "Die Vollmacht, die Jesus Christus dem Apostel Petrus erteilte und für die wir die Bezeichnung 'Schlüsselvollmacht' verwenden, beinhaltet die lehramtliche Vollmacht, die das Verkündigen neuer Geistesoffenbarungen und die Reinhaltung der Jesulehre einschließt, die lenkende Vollmacht, die das Leben in der Gemeinde nach göttlichem Gebot regelt. ...Diese umfassende Vollmacht, die Christus einst dem Apostel Petrus übertragen hatte, übt nach unserer Erkenntnis heutzutage der Stammapostel aus. Die so verstandene Befugnis verbietet es, die Schlüsselgewalt ausschließlich auf das Entschlafenenwesen zu beziehen."
Freilich fanden auch weiterhin die durch den Stammapostel persönlich geleiteten, besonderen "Entschlafenengottesdienste" statt.
Eine wirkliche Revision oder gar Korrektur wird man dies kaum nennen können. Im Gegenteil: Bei der Bekanntgabe der Neuerung wird sogar betont, die neue Erkenntnis stärke die Autorität des Stammapostelamtes.

NAK bleibt weiterhin christliche Sekte
Es bleibt dabei: "Die Neuapostolische Kirche ist den klassischen christlichen Sekten zuzurechnen. Das dort errichtete 'Apostelamt' unterscheidet sich nach Struktur und Inhalt von den neutestamentlichen Aposteln und ist als unbiblisch zu bewerten. Zudem stellt das Amt des 'Stammapostels' eine zweite Glaubensquelle neben der Bibel dar; zumindest in der Glaubenspraxis ist dieses Amt der Bibel vorgeordnet." (Dr. Rüdiger Hauth im Berliner Dialog 4-2000, S.4-5 ( http://www.religio.de/dialog/400/23_04-05.htm )
Diese Qualität des Stammapostelamtes ist durch neuere Lehrentwicklungen nicht abgeschwächt, sondern eher zugespitzt worden. Denn die NAK beansprucht nun ausdrücklich, daß zum besonderen
Amtsvermögen des Stammapostelamts die Gabe gehöre, aus der Kraft des Heiligen Geistes die Schrift zu deuten und "neue Geistesoffenbarungen" zu verkündigen. Damit wird deutlich, daß in der NAK nach wie vor eine zusätzliche, außerbiblischen Wahrheits- und Offenbarungsquelle in Geltung steht, wie sie für eine "regelrechte" christliche Sekte typisch ist.

Versöhnte Verschiedenheit?
Wie es scheint, wird die "offizielle", vage Absichtserklärung der NAK-Führung zu "ökumenischen Kontakten" bei ausdrücklichem Festhalten an eigener Identität von Verantwortlichen der NAK auf Gemeindeebene als sehr viel weitergehend interpretiert. Deshalb gibt es bereits heute praktische Probleme auf Gemeinde- und Kirchenkreisebene: So gibt es da und dort Einladungen zu Veranstaltungsbesuchen und sogar Grußworten sowie Anfragen mit der Bitte um Raumüberlassung, da "die NAK ja jetzt im ökumenischen Gespräch" sei und sich "den anderen Kirchen gegenüber geöffnet habe".
Neueste Entwicklungen zeigen auch, daß die postulierte Öffnung bereits "ökumenische" Früchte trägt, die jedenfalls den NAK-Mitgliedern intensiv nahegebracht werden.

Gespräch mit ACK in Baden-Württemberg
So wurde erst im Herbst 2002 bekannt, daß es in Südwestdeutschland mehrere offizielle "ökumenische" Kontaktgespräche gegeben hat.
Stolz meldete die NAK auf ihrer Webseite http://www.nak.de/news/ack/index.html am 19.10.2002:

"Gespräche mit der ACK dienten dem gegenseitigen Kennenlernen"
Stuttgart. Zu bislang vier offiziellen Gesprächen auf Leitungsebene trafen sich in 2001/2002 Vertreter der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Baden-Württemberg und der Neuapostolischen Kirche Süddeutschland. Sie dienten dem gegenseitigen Kennenlernen und fanden in großer Offenheit und in einer freundlichen Atmosphäre statt.
Die Frage nach einer Mitgliedschaft der Neuapostolischen Kirche in der ACK stand zu keinem Zeitpunkt im Raum. Beide Seiten einigten sich in der Sitzung vom 1. Juli 2002 auf die Veröffentlichung eines gemeinsamen Kommuniques. Dieses wurde Ende Oktober per Rundschreiben des zuständigen Bezirksapostels Klaus Saur allen Mitgliedern als Aushang in den Gemeinden der Neuapostolischen Kirche Süddeutschland bekannt gemacht."

Im Anschluß wird mit einem Link http://www.nak.de/bawue/text/p_6_1_ack_komm.html auf das nebenstehende "Kommunique" hingewiesen.

Eine vergleichbare, umfassende Information aller Mitglieder der vertretenen ACK-Kirchen in Baden-Württemberg, etwa durch Rundschreiben oder Aushang in Kirchen und Gemeindehäusern hat es dem Vernehmen nach noch nicht gegeben.


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