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BERLINER DIALOG 26, 1-4 2002 - Epiphanias 2003

 

Schlabbergewänder und flower power outfit
Vissarion­Anhänger in der Konfrontation mit der Außenwelt
Von Propst Rudi Blümcke, Krasnojarsk

Hinsichtlich Vissarions und seiner Sekte schwirren hier die wildesten Gerüchte herum. Vor kurzem bat an einer Konferenz der Geistlichen von Krasnojarsk ein Vertreter der Gouvernementsverwaltung die Kirchen um Hilfe, die wachsenden sozialen Probleme zu lösen, die insbesondere durch das Auftreten der Vissarion­Sekte im Süden des Gouvernements entstanden sind. Die Behörden wissen nicht, was man mit der Flut der hier Gestrandeten machen soll - zumal wenn bei Temperaturen von minus 50° diese Menschen ernsthaft gefährdet sind.
Scharenweise reisen Anhänger - Aussteiger aus St. Petersburg und Moskau - zu ihrem Messias in Ostsibirien, haben zuvor Hab und Gut verkauft und hausen dort in notdürftig zusammengehauenen Bretterbuden, haben kaum etwas zu essen - und sind darüber hinaus von ihrem Guru bekanntlich auf Diät gesetzt (kein Fleisch und keine Milchprodukte). Selbst wenn einem dieser Opfer ein Licht aufgeht und es aus der Sekte aussteigen will, ist das kaum möglich, weil man in Rußland eine behördliche Zuzugsgenehmigung benötigt; wer diese nicht aufweisen kann, hat kein Anrecht auf staatliche Hilfe. Und welcher Sekten­Aussteiger bekommt schon eine offizielle Zuzugsgenehmigung! Ohne eine Kopeke jedoch kommt man auch in Rußland nicht vom Fleck. So macht die materielle Abhängigkeit von der Sekte einen Ausstieg praktisch unmöglich.
Das Sektenzentrum befindet sich nahe der 550 km südlich von Krasnojarsk gelegenen Kreisstadt Kuragino, wo sich auch eine lutherische Gemeinde befindet. Mittlerweile hat die Sekte Versammlungsräume (z.B. ehemalige Sporthallen) auch in den umliegenden Dörfern angemietet. Was ich von ihnen zu sehen bekomme, sind junge Menschen, die mit ihren Haarbändern, Rucksack und etwas heruntergekommenen Schlabbergewändern an die Flower­Power­Bewegung erinnern.
Sie laufen an den Straßenrändern von Dorf zu Dorf und haben wohl missionarische Aufgaben. Im Dorf Bugurtak, das ganz in der Nähe des zu erbauenden Paradieses "Ökopolis" liegt, stellen mir rußlanddeutsche Gemeindeglieder, die nach Deutschland ausreisen, immer wieder die Frage, ob es Sünde sei, ihr Haus an Vissarion­Leute zu verkaufen.
Die einzige direkte Begegnung, die ich mit dem Herrn Sergej Torop al. Vissarion hatte, fand im Krasnojarsker Kulturhistorischen (früher Lenin­)Museum statt. Wir hatten zwei Pastoren aus Deutschland zu einem Gemeindeseminar eingeladen, das dort in Form einiger offener Abende abgehalten wurde. Was wir nicht wußten, war, daß Torop­Vissarion direkt vor uns die Räumlichkeiten gemietet hatte. Von der Veranstaltung bekamen wir nichts mit, aber im Foyer des Museums fanden wir Sektenmitglieder, die traditionelle Handarbeiten ausstellten. Einige langhaarige, vollbärtige Russen führten vor, wie Körbe geflochten und Haushaltsgeräte geschnitzt werden.
Als wir uns zu unserem Gemeindeseminar sammelten, kam es zur Begegnung - oder besser: Konfrontation. Zu all unseren drei Seminarabenden erschienen einige von ihnen. Bei den Vorträgen verhielten sie sich noch ruhig, aber wenn die Diskussion eröffnet war, meldeten sie sich lauthals zu Wort - natürlich nicht zum Thema, sondern um Propaganda zu betreiben. Die Debatten waren hitzig und wurden von den Sektenleuten voller Aggression geführt. Verblüfft hat mich die Aggressivität, mit der diese Leute auftraten, die so gar nicht zu ihrem doch eher friedlichen "Flower power outfit" passen wollte. Gefreut habe ich mich über einige unserer Gemeindeglieder, die bereit waren, in aller Ruhe mit diesen Leuten ins Gespräch zu kommen und sich auch nicht durch deren Auftreten aus der Ruhe bringen zu lassen.


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