Seite 51 n_rechtsweiter Seite 52 (Comic 160 KB) n_links Start-Seite 1
  

BERLINER DIALOG 26, 1-4 2002 - Epiphanias 2003

 

Bayrischer Maßnahmenkatalog zur Scientology-Organisation
Bundesinnenminister aufgefordert, ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren einzuleiten
Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet Scientology weiter

Bayerns Innenstaatssekretär Hermann Regensburger hat am 12. November 2002 im Kabinett einen neuen Maßnahmenkatalog im Hinblick auf die Scientology-Organisation vorgestellt. Grundlage ist ein neues Gutachten über die Auswirkungen und Risiken unkonventioneller Psycho- und Sozialtechniken, das die Ludwig-Maximilians-Universität im Auftrag des Freistaats erstellt hat.

Regensburger: "Der Staat darf nicht einfach zusehen, wenn Scientology Menschen wirtschaftlich und geistig schädigt und versucht, Unternehmen und Behörden zu Instrumenten ihrer Pläne zu machen.
Wir fordern Bundesinnenminister Schily auf, seine zögerlichen Haltung in der Auseinandersetzung mit Scientology aufzugeben. Vor allem die Einleitung eines vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens, eine intensivere Beobachtung von Scientology durch den Verfassungsschutz und vorbeugende Schutzmaßnahmen zugunsten der öffentlichen Verwaltung vor Infiltration und Ausforschung durch diese Organisation sind dringend nötig."

Die Scientology-Organisation, die entgegen eigener Darstellung keine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft im Sinne des Grundgesetzes sei, komme in vielfacher Hinsicht mit der objektiven Wertordnung des Grundgesetzes in Konflikt. Die interne Organisation und die Methoden der Überwachung und Instrumentalisierung, die gegenüber Mitgliedern angewandt wurden, verstoßen gegen die Menschenwürde, das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Meinungsfreiheit.

Das Gutachten der Universität München kommt zu dem Ergebnis, dass zivilrechtliche Verträge zwischen Scientology und ihren Kunden größtenteils nichtig, jedenfalls anfechtbar sind.

Das Gutachten der Ludwig-Maximilians-Universität wird voraussichtlich Ende November durch die Universität veröffentlicht werden. Ab heute ist eine 20-seitige Kurzfassung dieser Expertise im Internet unter
http://www.stmi.bayern.de/infothek/scientology/index.htm abzurufen.

Erweiterter bayerischer Maßnahmenkatalog gegen Scientology (SO)
gemäß Beschluss des Ministerrats vom 12.11.2002
1.
Das Gutachten wird von den jeweils zuständigen Ressorts bei Bedarf mit Handlungsanweisungen versehen und allen mit SO befassten Behörden, Beratungsstellen und Gremien zur Kenntnis und Berücksichtigung in der Praxis übermittelt, bei Bedarf in die Fachministerkonferenzen eingebracht und in laufenden Prozessen mit SO den Gerichten vorgelegt.
2. Die bereits eingeleitete verstärkte Beobachtung der SO durch den Verfassungsschutz auch unter dem Gesichtspunkt der Organisierten Kriminalität wird fortgesetzt.
3. Die Bürger werden darüber informiert, dass bei jeder Polizeidienststelle Anzeigen gegen SO erstattet werden können und in den Städten München, Nürnberg und Ausgsburg spezielle polizeiliche Ansprechpartner zur Verfügung stehen.
[An anderer Stelle wird dazu ausgeführt:
Polizeiliche Ansprechpartner für die Opfer der Scientology-Organisation
Der Ministerrat hat in seiner Sitzung am 12. November 2002 einen Maßnahmenkatalog im Hinblick auf die Scientology Organisation beschlossen.
Zu diesem gehört, dass in den Städten München, Nürnberg und Augsburg spezielle polizeiliche Ansprechpartner bei den dortigen Polizeipräsidien zur Verfügung stehen. Neben der Möglichkeit, dass Bürger bei jeder Polizeidienststelle in Bayern Anzeigen gegen diese Organisation erstatten können, haben damit Opfer von Scientology, ihre Angehörigen oder etwa Zeugen in den genannten Städten spezielle polizeiliche Ansprechpartner. Kompetente Auskunftspersonen sind zu den üblichen Behördenzeiten
(Montag bis Donnerstag von 08.00 Uhr bis 16.00 Uhr und Freitag von 08.00 Uhr bis 14.00 Uhr) unter folgenden Rufnummern erreichbar beim
- Polizeipräsidium München, Telefon (089) 2910-2314
- Polizeipräsidium Mittelfranken in Nürnberg, Telefon: (0911) 211-2076
- Polizeipräsidium Schwaben in Augsburg, Telefon: (0821) 323-1350 ]
4. Die Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit zum Thema SO wird nochmals durch die jeweiligen Ressorts intensiviert und es werden alle Veröffentlichungen im Hinblick auf die Ergebnisse des Gutachtens aktualisiert.
5. Der Bundesinnenminister wird aufgefordert, seine zögerliche Haltung in der Auseinandersetzung mit SO aufzugeben und alle aus den Gutachten gebotenen Konsequenzen zu ziehen. Dazu gehören vor allem
- die Einleitung eines vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens,
- die Intensivierung der Beobachtung der SO durch den Verfassungsschutz und
- die Veranlassung eines umfassenderen Schutzes der öffentlichen Verwaltung vor Infiltration und Ausforschung durch SO.
6. Der Entwurf eines Gesetzes über Verträge auf dem Gebiet der gewerblichen Lebensbewältigungshilfe wird nach Überarbeitung und Abstimmung mit den anderen Ländern umgehend im Bundesrat erneut eingebracht.
[An anderer Stelle heißt es zur Erläuterung: Der Freistaat will nach Abstimmung mit anderen Ländern einen Gesetzentwurf über Verträge auf dem Gebiet der gewerblichen Lebensbewältigungshilfe im Bundesrat einbringen. Hilfesuchende Personen sollen danach ein Widerrufsrecht mit einer Frist von zwei Wochen haben. Außerdem soll ein Kündigungsrecht vorgesehen werden, das es hilfesuchenden Personen ermöglicht, einen Vertrag unabhängig von der Festlegung einer Laufzeit mit einer Frist von vier Wochen ohne Angabe von Gründen zu kündigen.]
7. Opfern und Betroffenen von SO werden erfahrene Rechtsanwälte benannt, die über die zivilrechtlichen Schutzmöglichkeiten gegen SO informieren.
8. Es werden Anstöße zur weiteren wissenschaftlichen Erforschung von Scientology gegeben.
9. Maßnahmen nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und nach dem Heilpraktikergesetz bleiben weiteren Prüfungen vorbehalten.


Seite 51 n_rechtsweiter Seite 52 (Comic: 160 KB)
n_oben Anfang

n_links Start-Seite 1