Gibt es Rettung für das Marienthaler Schlößchen? (von Matthias Brodbeck)

Inhalt

Woher hat das Schloß seine historische Bedeutung?

[Das Schlößchen Marienthal] Am Rande des Fröbelortes Schweina/Thür., unweit der Stadt Bad Liebenstein, steht das Schlößchen Marienthal, in dem der bedeutende Pädagoge und Schöpfer des Kindergartens Friedrich Fröbel im Jahre 1850 die erste Kindergärtnerinnenschule der Welt eröffnete. Damit befand sich in diesem Hause höchstwahrscheinlich auch die erste Schule in Deutschland, die gezielt Frauen den Weg in einen Beruf eröffnete. In diesem Hause fanden unter der Federführung Friedrich Fröbels Pädagogenversammlungen statt und es erschienen Zeitschriften zu Erziehungsproblemen. Hier vollendete sich am 21. Juni 1852 das Leben des bedeutenden Pädagogen und Menschenerziehers Friedrich Fröbel. Der beginnende Verfall des Schlosses muß aufgehalten werden, eine Sanierung des Hauses und des näheren Umfeldes ist erforderlich. Vielleicht gibt es eine Chance für diesen authentischen Ort der deutschen und internationalen Erziehungsgeschichte?

Der bedeutende Pädagoge und Menschenerzieher F. Fröbel kam 1849 nach Bad Liebenstein und schon wenige Wochen später bezog er das Schloß Marienthal, wo er 1850 die erste Kindergärtnerinnenschule gründete. Hier traf er sich mit einem weiteren bedeutenden Pädagogen, F.A.W. Diesterweg (Diesterweg schlug kurz vor Fröbels Tod vor, eine geplante Goethestiftung Fröbelschen Erziehungsideen zu widmen. Näheres dazu in einem Beitrag dieser Denkschrift.). Im Marienthaler Schloß fanden zu dieser Zeit Pädagogenversammlungen statt, wurden pädagogische Zeitschriften herausgegeben. Für Fröbel besteht wachsendes nationales und internationales Interesse.

Die 1850 gegründete erste Kindergärtnerinnenschule (Fröbels "Plan der Bildungsanstalt für Kinderpflegerinnen und Erzieherinnen" ist Teil dieser Denkschrift) als "letzte Konsequenz (s)eines Grundgedankens" war wohl auch eine der ersten Stätten in Deutschland, in der Frauen eine Berufsausbildung erhalten konnten. In dem Schloß befindet sich das Sterbezimmer F. Fröbels. Nach Fröbels Tod schuf Ernst Luther ein Nachfahre der Familie Martin Luthers aus dem nahen Möhra den heute vor dem Schloß stehenden Gedenkstein und damit das weithin bekannte Fröbelsymbol der übereinander getürmten Spielgaben Kugel, Walze und Würfel. Er tat dies in Dankbarkeit für seinen großen Lehrer, der ihn 1817 aus dem Tagelöhnerdasein an seine Anstalt nach Keilhau nahm, um im Jahre der 300. Wiederkehr des Reformationsjubiläums seinem großen "Glaubenshelden" ein "lebendiges Denkmal"(vgl. auch Beitrag "Statt Stein und Eisen oder Ein lebendiges Denkmal" in dieser Denkschrift) zu setzen eine wohl sehr originäre humanistische Tat Fröbels. Nach Fröbels Tod wurde das Marienthaler Schlößchen erster Ort des "Pädagogiums", einer Einrichtung, die heute in den Schulen von Bad Liebenstein und Schweina würdige Nachfolger hat.

Zur Bedeutung Friedrich Fröbels

Fröbel gehört zu den originärsten deutschsprachigen Pädagogen. Es wäre eine ungerechtfertigte Verkürzung seines Schaffens, in ihm "nur" den Erfinder der Kindergärten zu sehen. Vielmehr umfaßte sein pädagogisches Gedankengut und Handeln alle Phasen der Entwicklung von der Vorschulerziehung bis zur Hochschulreife bzw. Berufsausbildung, was in seiner "Anstalt" Keilhau bereits z.T. verwirklicht, in dem aus Gründen einer Hofintrige gescheiterten HelbaPlan sogar weitgehend planerisch umgesetzt war. Fröbel wird in der Wissenschaft weitgehend einhellig als "Menschenerzieher" bezeichnet, der frei von Ideologie und Zeitgeist pädagogische Gedanken formulierte, die auf Selbsterfahrung fußend oft erst viele Jahrzehnte später von der pädagogischen bzw. psychologischen Wissenschaft thematisiert worden sind. Darin sind Ursachen der beachtlichen multikulturellen Rezipierbarkeit Fröbelschen Werkes zu sehen.

Die tragenden Begriffe seiner Pädagogik sind Ganzheit, Lebenseinigung, Einheit und Mannigfaltigkeit, Selbsttätigkeit sowie die Darstellung menschlicher Tätigkeit vermittels der drei Haupttätigkeiten Spielen, Lernen und Arbeiten. Obwohl Fröbel (noch) weniger populär ist, als z.B. Montessori, Steiner und Petersen, so gibt es doch nicht wenige, die ihn in einigen Forderungen und ihren theoretischen bzw. praktischen Umsetzungen den anderen überlegen sehen. Braune Ideologen benutzten Fröbel (unter Herauslösung seiner Gedanken aus dem Kontext) u.a. zur Rechtfertigung des "Mutterkultes" . Die Ideologen der ehemaligen DDR versuchten, Fröbel zu vereinnahmen, wobei man ebenfalls nicht konsequent bleiben konnte, ohne die eigene Ideologie preiszugeben. So waren es insbesondere Jubiläen, die mit dem Namen Fröbels verbunden waren, zu denen man sich öffentlich erinnerte und als "Erbe alles Humanistischen" darstellte.

Heute, unter dem Vorzeichen, nach mehr als 60 Jahren endlich in Thüringen wieder ein demokratisches Schul und Erziehungswesen aufbauen zu können, aber auch mit der Sicht auf die Forderungen der Zeit, der zu lösenden globalen Probleme und der Herausforderungen bei der Herstellung der Einheit Europas ist es an der Zeit, sich auch Fröbels zu besinnen, seine Ideen für die Lösung unserer Aufgaben nutzbar zu machen. Nicht zuletzt tragen dem Erbe Fröbels der Kindergarten, die beiden Schweinaer Schulen und das Kinder und Jugendheim Rechnung, die auch aus der Beziehung zu Fröbel mehr und mehr ihr individuelles Profil ableiten. Im Ort gibt es einen Freundeskreis Friedrich Fröbel, der sich mit seinen Mitteln um die Bewahrung dieses Erbes bemüht, der aber wohl auch für die Umsetzung seiner Ideen mehr Hilfe benötigt.

Mögliche Perspektive für das Marienthaler Schloß im Sinne Fröbelschen Schaffens

Das Marienthaler Schloß sollte wieder zu einer Stätte bedeutsamer pädagogischer und sozialer Bestimmung werden. Walter Gropius, der Gründer der Bauhaus Bewegung, unterbreitete schon 1924 Pläne für eine Begegnungs und Seminarstätte mit Forschungsinstitut, Kindergarten und Altersheim für ehemalige Kindergärtnerinnen. Vieles von dem und weiteres wäre auch denkbar für die sinnvolle inhaltliche Nutzung und die Erhaltung dieser wichtigen Wirkungsstätte Fröbels (vgl. Abschriften in dieser Denkschrift aus Beiträgen des Heftes 2/1925 der Zeitschrift "Kindergarten"). Ein solches Projekt würde dem Miteinander der Generationen dienlich sein. Desweiteren wäre es denkbar, in diesem Hause und im o.g. Zusammenhang Erzieherinnen (und Erzieher?) zu FröbelKindergärtner(inne)n zu qualifizieren.

Der Entwurf für ein entsprechendes an Fröbelschen Ideen und an den Anforderungen von Gegenwart und Zukunft ausgerichtetes FröbelDiplom liegt ebenfalls als Curriculum in dieser Denkschrift vor. Die Tatsache, daß sich hier eine der ersten Berufsausbildungseinrichtungen für Frauen in Deutschland befand, legt außerdem den Gedanken nahe, in einem hier zu entwickelnden Bildungszentrum insbesondere Projekte für und mit Frauen zu entwickeln. Das könnten einerseits Seminare im Bereich pädagogischer und sozialer Arbeitsfelder, andererseits Projekte mit der Zielrichtung stärkerer Einbeziehung von Frauen in maßgebliche Positionen in Wirtschaft, Lehre und Forschung, öffentlichem Dienst und Politik sein.

Desweiteren ist denkbar, an dieser Stelle in regelmäßigen Abständen Symposien zu aktuellen Fragen von Bildung und Erziehung durchzuführen. Alle diese Nutzungsmöglichkeiten, aber auch die Möglichkeit der Gestaltung bzw. Unterstützung weiterer Bildungsprojekte (Europa, Umwelt, ... ) und die Option, anderen Bildungsträgern die Räumlichkeiten zur Verfügung stellen zu können, könnten dazu beitragen, daß die vorerst sicher nicht zu unterschätzenden Kosten wieder eingenommen werden. Nicht zuletzt könnte das Schloß ein geistiger und kultureller Mittelpunkt des Ortes sein. Hier könnten neben den ortsansässigen Vereinen auch überregionale Vereine tagen, es könnte ein gastronomischer Bereich eingerichtet werden.