Die Person Friedrich Fröbels

2. 3. Schöpfer des Kindergartens

1840 bezeichnete Fröbel seinen in Blankenburg/Thüringen geschaffenen Kindergarten in einem Brief 1) als "eine Anstalt zur Pflege des Tätigkeitstriebes und des gesamten Lebens der Kindheit durch Spiel und Beschäftigung". Die Bezeichnung dieser Einrichtung weißt schon auf das Bildungs- und Erziehungskonzept Fröbels hin. Aus Mangel an Heizmaterial verlegte er diese Anstalt in den Wintermonaten nach Keilhau.

Fröbel betreute in dieser Vorschuleinrichtung "40 - 50 Kinder aller Stände und Klassen des kleinen Städtchens" in den Altersstufen "von noch nicht einem" Jahr (mit Müttern oder sogenannten "Wärterinnen") bis vorwiegend 6 aber auch Kinder von 9 und 11 Jahren. Die älteren, so beschrieb er in diesem Brief weiter, sind dann "Spielgenossen ihrer jüngeren Geschwister" und "nehmen daran recht eingehenden, besonders das Leben ihrer jüngeren Geschwister innig pflegenden Anteil". Fröbel hatte schon als Schulleiter der "Allgemeinen Deutschen Erziehungsanstalt" in Keilhau Erfahrungen mit seinen lehrenden Zöglingen gemacht und bezog nach seinem Tätigkeitsprinzip alle Familienmitglieder (so weit es ging) in die Bildung und Erziehung mit ein. Die Kinder besuchten diese Einrichtung erst am Nachmittag für zwei Stunden und wurden nach ihren Fähigkeiten in vier Abteilungen aufgeteilt. Es war noch kein Kindergarten, wie wir ihn heute kennen, nicht nur eine Einrichtung zur Bildung der Kinder, sondern vor allem auch zur Anleitung der die Kinder betreuenden Personen in der Familie.

Aus dem eigenen familiären Verhaltensweisen seines Vaters und der der Stiefmutter gewonnenen Erfahrungen, führten Fröbel zu der Erkenntnis, die Familie zu erziehen, um das Kind sich optimal entwickeln zu lassen. Dazu sollte die Einstellung der Familie zum Kinde oder zu den Kindern verbessert werden, und zwar nicht erst wenn es zu spät ist, sondern vom Säuglingsalter an.

Die Spiele bauten sich zwar nach "einem gewissen und allgemeinen innern Gesetz" und Reihenfolge auf, waren für das Kind aber nicht zwangsläufig, "damit sich der Charakter des Spiels (Charakter einer intrinsischen Erregung, W. A.) und der Freitätigkeit des Kindes so rein als möglich erhalte." Dem Kind wurde die Gelegenheit gegeben auszuspielen. Die Art der Spiele umfaßte die "allgemeine Lebensteilnahme", "Spiele der ersten, zweiten und dritten Spielgabe und der sich daraus persönlich für das Kind mit Notwendigkeit entwickelnden Bewegungs-, Lebens- und anderer, z.B. Zahl- und Sing- oder vielmehr Tonspiele". Kinder mit "unterentwickelter Glieder- und Sinnentätigkeit und noch mehr unterentwickelter Sprachfähigkeit"; Kinder, die eine ihnen entsprechende Betreuung von zu Hause nicht erwarten konnten und sich "auf der Straße oder vielmehr den Gassen des kleinen Städtchens und sonst herumtreiben" wurden mit der Unterstützung Wilhelm Middendorffs und einiger Seminaristen gefördert.

Im Zentrum dieses Ansinnens stand immer wieder die Beschäftigung aller, das Tätigsein. Die Nichtbeachtung des Tätigkeitstriebes des Kindes führe zur "Verwilderung". Die altersgerecht systematisch organisierte Spieltätigkeit, ausgehend vom Ball und der Kugel, der ersten Spielgabe, über den Würfel und die Walze zum Zähl- und Singspiel sowie Betrachtungen der Naturerscheinungen wurden auch in diesem Brief an den Vorsteher der israelischen Schule in Frankfurt/Main als das Hauptmoment in der Entwicklung des Menschen hervorgehoben.

"Beachtung der Umgebung, selbständiges Aufnehmen der Außenwelt, und Spiel, selbständiges Herauswirken, Hervorleben aus sich, sind also die ersten freitätigen Beschäftigungen des Kindes, wenn seine leiblichen Bedürfnisse befriedigt sind und es sich wohl und kräftig fühlt."2)

Die elementarsten Bedürfnisse, die die Lebenserhaltung betreffen, sollten schon befriedigt sein, um Lernvorgänge unterhalten zu können. Nur der, der satt ist, kann Kultur erleben. Fröbel sah einen sehr großen Wert im Verhalten der sozialen Umgebung für die Entwicklung des Kindes. Die Bedeutung der Familienerziehung erlebte er nicht nur an sich selbst, in seiner eigenen frühen Kindheit, sondern auch bei Eintritt als Hauslehrer in die Familie von Holzhausen. Zur Diagnose der sozialen Struktur in dieser Familie schrieb er 1812:

"Derjenige Mann, welcher in eine Familie als Erzieher eintreten will, muß sich zu allererst klar und bestimmt folgende Fragen beantworten:

  1. Wie stehen Gatte und Gattin zueinander, herrscht zwischen ihnen übereinstimmung und bilden sie in der Gesamtheit ihres Wesens ein Ganzes, eine geschlossene Einheit?
  2. Wie steht jedes der beiden Eltern zu den Kindern? Stehen sie gleich und in einem Verhältnis zu den selben?
  3. Wie stehen die Kinder zu jeden der Eltern? - Findet von seiten der Kinder zu einem der Eltern ein anderes Verhältnis als zu den anderen statt?
  4. Bilden Eltern und Kinder in ihrer Gesamtheit, in ihrem Denken und Handeln ein Ganzes, eine Einheit?" 3)

RESCHKE (1994) zitiert Ruth Rudert zur Schulpsychologie und trifft damit die Aktualität dieser Fröbelschen Erkenntnis: "Sie betreten den Erziehungs- und Familienbereich und damit ein Beziehungsgeflecht, oft unübersichtlich und auch vielleicht unberechenbar, jedenfalls im Affektbereich". 4)

Im Mittelpunkt des damaligen Kindergartens stand bei Fröbel nicht nur die Bildung der Kinder, sondern auch die Erziehung der Eltern, als Teile eines Ganzen, eines Mikrosystems für das Kind mit all seinen materiellen, finanziellen und intellektuellen Voraussetzungen.

Das Verschieben nach erziehende Familien

Anmerkungen

1) in: Dieter Hoof: Handbuch der Spieltheorie Fröbels, Braunschweig 1977, S. 124

2) Fr. Fröbel: Des Kindes Leben, das erste Kindestun, 1838, in: Friedrich Fröbel, "Kommt laßt uns unsern Kindern leben!", Bd. III, Hrg. K.- H. Günther u. H.König, Berlin 1982, S. 16

3) Fr. Fröbel: Aus den Tageblättern, 20. 8. 1812, in: Gedenkschrift zum 100. Todestag von Friedrich Fröbel am 21. Juni 1952, Berlin 1952, S. 35

4) in: K. Reschke: Zur gesunden Schule unterwegs, Regensburg 1994, S. 8