4. Zur Bedeutung des Tätigseins bei Fröbel aus entwicklungspsychologischer Sicht

4. 1. Allgemeine Betrachtungen zum Tätigkeitsprinzip bei Fröbel

Fröbel sah die treibende Kraft der Entwicklung in der Kindheit im Tätigkeitstrieb, als Trieb zur Selbstbeschäftigung, in der Knabenzeit dann als Bildungstrieb oder Gestaltungstrieb, bezeichnet aber teilweise auch die frühkindliche Tätigkeit als Bildungstrieb.

"Was früher in dem Kinde nur Tun um der Tätigkeit willen war, das ist in dem Knaben jetzt Tätigkeit um des Werkes, des Erzeugnisses willen: des Kindes Tätigkeitstrieb hat sich in dem Knaben zum Bildungs - , Gestaltungstrieb entwickelt, und hierin löst sich das Ganze äußere Leben, die äußere Erscheinung des Knabenlebens dieser Zeit auf." 1)

In einem Versuch, beschrieben von Oerter und Montada (1987), wurden Kinder im Vorschulalter mit Gedächtnisleistungen konfrontiert, und zwar in der Form, daß sich eine Gruppe Wörter aus dem Unterrichtsgespräch und eine andere diese aus einem Kaufladenspiel heraus merken sollten. Die Merkleistung der Kinder der zweiten Gruppe konnten aus der Spielsituation "mehr als doppelt soviele Items" reproduzieren, als die erste Gruppe. Das Kind ist bestrebt, den Erwachsenen nachzuahmen und entwickelt hier eine Motivation für die Tätigkeit. Hinzu kommt, daß das anschauliche Denken phylogenetisch viel älter ist als das begrifflich - abstrakte und deshalb die Merkfähigkeit unterstützt.

"Innerliches äußerlich, äußerliches innerlich zu machen, für beides die Einheit zu finden: dies ist die allgemeine äußere Form, in welcher sich die Bestimmung des Menschen ausspricht; darum tritt auch jeder äußere Gegenstand dem Menschen mit der Anforderung entgegen, erkannt und in seinem Wesen, seiner Verknüpfung anerkannt zu werden; dazu besitzt der Mensch die Sinne; d. i. die Werkzeuge, durch welche er jede Forderung erfüllt, welches auch erschöpfend und genügend das Wort Sinn, d. i. selbsttätige Innerlich - Machung bezeichnet." 2)

Innerliches ist für Fröbel der Geist, der im Menschen lebt und der sich im ständigen Umgang mit der gegenständlichen Umwelt höher entwickelt. Nach seinem Sphäregesetz ist das äußerliche die Natur und das Innerliche der Geist; im Menschen ist beides vereint. Der Mensch lebt, indem er die ihm entgegenstehenden Dinge erkennt und sich nutzbar macht.

". . . tue dies, und sieh, was in dieser bestimmten Beziehung aus deinem Handeln folgt, und zu welcher Erkenntnis es dich führt; . . . Stelle dein geistiges Wesen, also das in dir Lebende, dein Leben, rein am äußern und durch äußeres im Handeln dar, und siehe, was dein Wesen fordert und wie es beschaffen ist." 3)

Fröbel geht von einer unverletzten ursprünglichen Konstitution des Kindes bei Geburt aus, die sich jedoch "selten" zeigt; dieser Zustand solle jedoch "so lange vorausgesetzt werden, bis das Gegenteil sich gewiß ausgesprochen hat, weil sonst der unverletzte, ursprüngliche Zustand da, wo er sich noch gesund finden sollte, auch noch leicht vernichtet werden könnte;. . .", wobei das "verletzte Hervortreten des Innern auch nicht immer, ja oft schwierig mit Gewißheit nachzuweisen, wenigstens der Punkt, die Quelle, in welcher das hervorgetretene Verletzte seinen Grund und Anfang und die Richtung hat, die es genommen; ..." 4)

Bis sich " die Störung und die Verletzung des ursprünglichen, gesunden Zustandes des Zöglings" offenbart, solle die Erziehung leidend, nachgehend gestaltet werden. Der Erzieher hat im Inneren zu erfühlen, wie sich das Kind verwirklichen kann, also mit der Tätigkeit des Kindes mit leidend und hinter ihm stehend, also nachgehend und nicht "vorschreibend, bestimmend, eingreifend".

Wird dem Kind diese Möglichkeit der Betätigung versagt, tritt eine sogenannte Deprivation ein. Fröbel spricht auch das Gegenteil an, daß

". . . das Geradeschließen von gewissen äußern Erscheinungen im Kinder - und Knabenleben auf das Innere derselben, ist der wesentlichste Grund der streitenden, widerstrebenden Erscheinungen, der so häufigen Mißgriffe im Leben und in der Erziehung; hierin hat unendlich viel Mißkennung der Kinder, Knaben und Jünglinge, hierin hat so viel mißratene Kindererziehung, soviel Mißverständnis zwischen Eltern und Kind entweder von der einen oder der anderen Seite her, so viel unnötiges Klagen, sowie ungebührliches Erheben und törichtes Erwarten von den Kindern seinen gewissen Grund.... in dem das äußerlich gut scheinende Kind oft in sich nicht gut ist, d. h. nicht durch Selbstbestimmung oder aus Liebe, Achtung und Anerkennung das Gute will; sowie das äußerlich rauhe, trotzige, eigenwillige, also nocht gut erscheinende Kind und Knabe oft in sich das regste, eifrigste, kräftigste Streben nach Darstellung des Guten mit Selbstbestimmung hat; der äußerlich zerstreute Knabe in sich einen stehenden festen Gedanken hat, der ihn alles äußere nicht beachten läßt." 5)

Aus dieser Verkennung des Wesens des Kindes entwickeln sich oft die bekannten Ergebnisse negativer sozialer Einflüsse und Fehlentwicklung. Um dem Kind zu helfen, "bleibt nichts zu tun übrig, als ihn in Verhältnisse und Umgebungen zu bringen, die ihn von allen Seiten beachten, wo ihm von den verschiedenen Seiten her sein Betragen durch das selbe selbst wie aus einem Spiegel entgegentritt und er dasselbe leicht und schnell in seinen Wirkungen und Folgen erkenne, wo sein wahrer Zustand von ihm selbst und andern leicht erkannt werden kann und wo die Ausbrüche, das Hervortreten der innern Lebensgestörtheit am wenigsten schadet." 6)

Fröbel rechtfertigt hiermit seine Internatsschule, die bei falscher Erziehung und Fehlbeurteilung des Kindes ihre Daseinsberechtigung hat. Eine akute Krankheit wird auch nicht in der Umgebung behandelt, in der die schädigenden Verhältnisse wirken, sondern in einer stationären.

Er kannte aus seiner Hauslehrerzeit bei der Familie von Holzhausen, welche Wirkung die Verhinderung eines alterstypischen Tätigkeits- und Bildungstriebes nach sich zieht.

"Der Knabe, das Mädchen werden so in ihrer inneren Tätigkeit gestört, sie sehen sich aus dem Ganzen, mit welchem sie sich so innig eins fühlen, herausgesetzt, ihre innere ganze Kraft ist aufgeregt, sie sehen sich allein, wissen mit der erregten Kraft nichts anzufangen, ja sie selbst wird ihnen lästig, drückend, sie werden verdrossen, träge." 7)

Hier werden Verhaltensweisen geschildert, die wir heute zur Genüge in unseren Schulen beobachten können. Das Anspruchsniveau unserer Schüler ist sehr niedrig und durch zu häufiges frontales Arbeiten der Lehrer wird die Selbsttätigkeit der Kinder eingeschränkt. Auch in den Familien steht die Forderung an die Kinder nach Tätigsein auf sehr geringem Niveau.

In seiner besonderen Religiösität sieht Fröbel die Tätigkeit, die Arbeitsamkeit, "durch Wirken und Tun", das Moment zur geistigen Entwicklung, zur Entwicklung des Menschen als "eigenes, geistiges, göttliches Wesen" mit dem er "das Wesen Gottes erkenne". Der Mensch wird, so Fröbel, durch das Tätigwerden seinem Schöpfer immer ähnlicher. Er steigt "zur Einsicht in das Wesen Gottes empor"8). Fröbel sah in Gott die verbindende Kraft zwischen Mensch und Natur. Je mehr der Mensch durch bewußte Tätigkeit diese Kraft erkennt, desto mehr Möglichkeiten hat er, in das Wesen der Natur einzusteigen, die Zusammenhänge zu erkennen und sich die "sittlich, menschliche Freiwerdung" entwickelt. 9)

Auslösendes Moment für die Tätigkeit sind auch bei Fröbel die Triebe, der Gestaltungs- und Bildungstrieb, der aber im Kinde oder im Menschen selbst einen Widerspruch schafft, ein Ungleichgewicht, das ausgeglichen werden muß. Mit den Vorgängen zum damit verbundenen Erkenntnisstreben muß das Kind schon früh vertraut gemacht werden, anderenfalls führt dies bei Nichteinflußnahme durch die Elter