Mystik und Moneten

Das Firmengeflecht Kaizen agiert mit dubioser Anlageberatung, Psychodruck und Ideologie

Alex Desselberger
Focus 2/97 Seite 28
Beinahe hätte sich Silvia A.,42, in der Nacht zum 8. September 1996 vom Balkon eines Hotels in die Tiefe gestürzt. Bei einem "Vollmondritual" hatten die Führer der Kaizen Academy Mitarbeiterin Silvia als Hexe diffamiert. Eine Delegation teilte ihr mit "Du bist die Inkarnation des Bösen der ewige Judas, das Zentrum des Hasses." Und: "Wenn du nicht die Welt von dir befreist, werden es andere tun." Silvia zog die Konsequenz. Statt sich umzubringen, kam sie zur Besinnung und stellte Strafanzeige Ausgestiegen ist auch die Berliner Ärztin Mareike Scheidat. Sie wetterte in internen Sitzungen so lange gegen Kaizen, bis sie ihre 7500 Mark Mitgliedsbeitrag wiederhatte. Auf den provisionsträchtigen Verkauf eines Superanlagefonds mochte sie nicht länger warten.

Der japanische Name Kaizen, kontinuierliche Verbesserung, hat eigentlich einen guten Klang, seit der Japaner Masaaki Imai die Managementmethode 1986 bekanntmachte. Doch damit hat die Kaizen Academy von Thomas Gretz und Alain Porcedda, Drahtzieher in Deutschland nichts zu tun.

Das Institut des Japaners hat die Verwendung des Namens gerade gerichtlich untersagt. Man fürchtet die Verwechslung mit der Kaizen-Academy, die der Wirtschaftsbranchendienst Gerlach-Report vor kurzem in die Nähe von Betrugsfonds rückte. Kaizen, Neuauflage des European Kings Club?" Die Justiz in Deutschland, Liechtenstein und der Schweiz ermittelt bereits gegen das im liechtensteinischen Vaduz registrierte Firmengeflecht wegen Betrugs. Porcedda zu den Vorwürfen: ,Alles Käse..' Die krude Mischung aus Mitgliederwerbung, Anlageberatung, Weltverbesserungsideologie und Mystik hat ihren deutschen Sitz in Waltersdorf bei Berlin. In einer Reihenhaussiedlung wohnt ein Gutteil der Aktiven. Auch Aussteigerin Sylvia. Als Founder" hatte sie im Mal vergangenen Jahres 7500 Mark in die Academy eingezahlt, einen Anteilschein über 150 Schweitzer Franken erhalten und ihren Beruf als Kauffrau aufgegeben. Sie glaubte an den Superfonds, dessen Vermittlung an willige Anleger den großen Geldregen bringen soll.

Vor diesem Devisenhandelsfonds, Disque d'Or, Mindesteinlage 15 000 Mark, warnen Experten: Zu geringes Eigenkapital, unseriöse Gewinnprognose. Offiziell vertreibt diesen Fonds die Schweizer Kosmo-Tech AG. Diese Keimzelle des Kaizen-Clans hantiert mit bewußtseinsändernden Programmen.

Gretz verdient über seine Firma Vita- Lex In Panama mit: Sie ist alleinige Disque d'Or-Vermittlerin. Mit derartigen Geschäften haben Gretz und Porcedda Erfahrung. Vor der Schweizer Firma Funworld warnten schon deutsche Verbraucherzentralen. Gegen das Kettenspiel Logo, bei dem Porcedda mitmischte, ermittelt die Stuttgarter Justiz. Die Kaizen-AGs werden unterdes erweitert. Zu Academy kamen die Subunternehmen Development AG, World, Kontinental und Leadership. Ein Geflecht mit System, das sich für einfache Kaizen-Mitglieder allerdings nicht auszahlt. Provisionsgeschäfte mit Versicherungen oder Radarfallenwarnern sollen das hingehaltene Fußvolk vertrösten.

Dessen Hauptaufgabe ist, weitere zahlungskräftige Founder zu rekrutieren und diverse Schulungen zu besuchen. Trainer N. N. (Name ist der Redaktion bekannt) rühmt sich der Ausbildung für die Kommunikationsmethode NLP (Neuro linguistic programm), die mit Körpersignalen arbeitet. Zur Einschüchterung der Mitglieder: "falsche Augenbewegungen, berichtet Slivia, würden scharf verurteilt. In künstlich erzeugten Extremsituationen werde suggeriert, nur die Gruppe zähle. So springen die Kaizens von hohen Bäumen ein Teil der Gruppe versucht sie zu entmutigen, ein anderer spornt sie an. Bei Rebirthing-Szenen sind intimste Bekenntnisse gefragt. Fit for Cash, fit for Sex: Die Haupttriebfedern des Lebens" (Gretz) werden mit simpler Offensichtlichkeit symbolisch zusammengeführt:

Kaizenologen tragen einen gefalteten Fünfmarkschein in der Unterhose.

Einem wurde das Geschäft zu heiß: Markus Hasler, Liechtensteiner Verwaltungsrat der Academy, trat zurück. Gegen ihn läuft eine Betrugsanzeige. Profi Gretz kümmert sich derweil um Höheres: Die Weltsysteme würden bald zusammenbrechen, doziert er. Deutschland werde Europa schlucken. Es habe schon einmal einen hochspirituellen Mann" gegeben, der das wußte: Hitler. Aber er kam zu früh". Den "kommenden Mann" hat Gretz schon ausgemacht: den Luxemburger Porcedda.