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BERLINER DIALOG 26, 1-4 2002 - Epiphanias 2003

 

Schwindel mit Einladung
Angebliche SO- Ausstellung im Moskauer Kreml
Von Marianna Doroshenko

Die "New Era" Verlags Gruppe lädt Sie ein zum Besuch der Ausstellung "L. Ron Hubbard: photojournal of life" über das Leben und Wirken von einem der populärsten Autoren des 20.Jahrhunderts ein. Die festliche Eröffnung ist am 22. Oktober 2002 um 11 Uhr. Sie werden zur Darbietung und zu den Festlichkeiten erwartet.

Es gab keine Zweifel was die Echtheit der ansehnlich erscheinenden Einladungskarte betraf, nur das Gefühl des Erstaunens zu vernehmen, dass die Verwaltung des KSP (Kreml Staats-Palast) ihre Räumlichkeiten nun an Scientology vermietete! In vergangenen Zeiten hätte sie sich nicht selbst in Verlegenheit gebracht indem sie ihre Aula einem Kult zur Verfügung gestellt hätten, der ebenso widerwärtig ist wie Aum Shinrikyo oder Moon. Bereits anfangs der 90-er Jahre bekam Scientology auch eine Chance, in eigener Sache im Kongress-Palast aufzutreten: das war als sie die russische Ausgabe von Hubbards "Dianetik" vorstellten. Zuvor war das Phänomen von Kulten in Russland noch wenig bekannt. Heute jedoch, wo nur noch Spätzünder nicht wissen was vor sich geht wenn sich Scientology zeigt um ihre Geschäfte zu machen, erschien das Verhalten der KSP-Leitung gelinde gesagt befremdend.

Am Tag vorher verbreitete sich im Internet Gerede über diese Nachricht einer Scientology-Ausstellung, France Presse, die sich überrascht zeigte, berichtete darüber und meinte, dass so etwas in Frankreich absolut unmöglich wäre. Associated Press beschränkte sich auf eine knappe Mitteilung, die Verwirrung war jedoch spürbar.

Nach dieser Woge von Artikeln war es natürlich unmöglich, ein solches Ereignis zu verpassen. Auf der Einladung wurde bemerkt, dass unter der angegebenen Telefonnummern kostenlos eine Eintrittskarte bestellt werden kann. Ich liess das Telefon läuten, und obwohl beide Mobilfunknummern anfänglich abgeschaltet waren, kam ich am Ende des Arbeitstages schliesslich durch und vernahm eine weibliche Stimme am andern Ende der Leitung. Auf meine Frage nach einer kostenlosen Eintrittskarte begann sie sogleich, mich beharrlich mit Fragen zu überhäufen: wer sind Sie, wo hörten Sie von der Ausstellung, unter welche Nummer rufen Sie an... Dies alles führte schliesslich dazu, dass mir gesagt wurde, ich müsste mich fünf Minuten gedulden, man würde zurückrufen. Offensichtlich erschienen ihnen meine Informationen zweifelhaft - ich wurde nie zurückgerufen. Na und, das übliche Verhalten von Scientology. OK, alles was ich hatte war ein einzige Karte, welche mir eine der eingeladenen VIPs spendete.

Am kalten Morgen des 22. Oktober eilten mein Freund und ich zum Eingang in der grossen roten Backsteinmauer, welche den Kreml umgibt. Wir hatten entschieden zu versuchen, die einzige Karte für uns beide zu benutzen, auf einen glücklichen Zufall hoffend. Doch die Konfusion begann bereits am Eingang zum Kreml. Die Wachen starrten erstaunt unsere Einladung an, wir hörten sie sagen "Wir wissen nichts von dieser Ausstellung. Sie sind die Ersten die heute mit dieser Einladung kommen".
Umgekehrt staunten wir die Wachen ratlos an. Mir wurde schliesslich erlaubt einzutreten unter dem Versprechen, falls ich dort (im Kreml) irgend etwas vorfinde, dass ich dann zurück kommen würde zu meinem Begleiter. Damit wurde die Sache erst recht interessant. Am Haupteingang zum KSP erläuterten mir höfliche alte Damen, dass sie zum ersten Mal von dieser Ausstellung hörten und dass im Augenblick die einzige im Zeitplan eingetragene Veranstaltung die Ausstellung war, die sich der Unterstützung von russischer Eigentümern widmete (und tatsächlich drängte sich eine Menge Leute in den Kreml mit weniger attraktiven Einladungen als unsere). Ich machte schnell eine Runde zu allen möglichen Eingängen, aber überall hoben die Aufsichten nur ihre Hände; kein einziges auf Scientology hinweisendes Zeichen konnte gefunden werden.
Bis zuletzt konnten wir nicht glauben, dass wir durch den Kult brüsk zum Narren gehalten wurden.
Wir eilten zum Zentralen Ausstellungsraum - gerade vor dem Kreml, um zu nachzusehen, ob die Ausstellung irgendwo andershin verlegt wurde, aber kein einziger Hinweis auf so etwas war weder im der grossen noch im kleinen Raum angezeigt.
Mein Freund rief nochmals die Telefonnummer von 'New Era' Verlags an. Ein Frau antwortete uns, aber auf die verwirrende Frage, welche ihr mein Begleiter stellte, wurde er nur erneut mit "wer ist am Apparat?" und "Warum wussten Sie von der Ausstellung?" bombardiert. Schlussendlich, als Antwort auf unsere Empörung, hängte sie einfach auf.
Was ging hier vor? War dies ein Zufall oder ein Trick, auf den wir als Einzige hereinfielen? Oder ein verzweifelter Versuch von nationalen Scientologen, den ausländischen Chefs ihre Bedeutung zu zeigen in der Hoffnung, dass es niemand überprüft bevor es sich von selbst erledigt?
Wir wissen es nicht. Aber eines Tages werden wir die Wahrheit erkennen. Auf jeden Fall sind wir froh, dass Scientologys Rechnung nicht aufging und dass auch unser KSP von ihnen verschont blieb.

Einladung


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